In einem Grundsatzpapier fordern mehrere Stimmen innerhalb der SPD eine deutsche Friedenspolitik statt weitere Aufrüstung. Bei "Markus Lanz" versuchte Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger am Mittwochabend, den Brief ihrer Parteigenossen zu relativieren. Ein Versuch, der scheiterte.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Natascha Wittmann auf die Sendung wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Mehrere prominente Stimmen innerhalb der SPD fordern in einem Grundsatzpapier eine deutliche Umkehr mit Blick auf die deutsche Beziehung zu Russland. Bei "Markus Lanz" bezog SPD-Politikerin Anke Rehlinger Stellung zum Friedensmanifest und machte mit ihrer Aussage nicht nur den ZDF-Moderator sichtlich fassungslos.

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Das Thema der Runde

Kurz vor dem SPD-Parteitag fordern mehr als 100 SPD-nahe Personen rund um Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich, Außenpolitiker Ralf Stegner sowie Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans einen deutlichen Kurswechsel in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Auch Gespräche mit Russland sollen laut dem Friedensmanifest in Erwägung gezogen werden. Grund genug für Markus Lanz, in seiner Sendung am Mittwochabend über die möglichen Folgen des Grundsatzpapiers zu debattieren.

Die Gäste

  • Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) bezog Stellung zum Friedensmanifest zahlreicher prominenter Parteigenossen: "Man darf es denjenigen nicht absprechen, dass sie das als ihre Meinung auch innerhalb unserer Partei formulieren."
  • Journalist Gordon Repinski analysierte die Migrationspolitik von Schwarz-Rot: "Dieses erste Urteil kann Dobrindt vielleicht noch ignorieren."
  • Ökonom Moritz Schularick sprach über die Konjunkturaussichten Deutschlands: "Stahl ist eine Dino-Branche."
  • Migrationsrechtler Daniel Thym hinterfragte die Zurückweisungspraxis an der deutschen Grenze: "Die Regierung ist gerade dabei, gegen eine juristische Wand zu fahren."

Das Wortgefecht des Abends

Zu Beginn der Sendung wollte Markus Lanz von SPD-Politikerin Anke Rehlinger wissen, was sie von dem Friedensmanifest zahlreicher Parteigenossen halte. Rehlinger antwortete zunächst schwammig, dass es "nicht wahnsinnig überraschend" gewesen sei, aber: "Es war schon klar, dass es eine Debatte auslöst." Rehlinger weiter: "Sicherlich – kurz vor dem Parteitag ist das ein spannender Moment." Der ZDF-Moderator reagierte lachend: "Interessant, wie Sie das versuchen schönzureden hier."

Lanz ergänzte, dass im Manifest "eine sofortige Kehrtwende in der Außen- und Sicherheitspolitik" gefordert werde sowie "Gespräche mit Russland als Alternative zur Aufrüstung der Bundeswehr". Zudem werde im Manifest das Fünf-Prozent-Ziel der Nato als "irrational" bezeichnet. Während Rehlinger wortkarg wiederholte, dass die Forderungen sicherlich eine Debatte auslösen, merkte Journalist Gordon Repinski fassungslos an: "Das ist ja eine Klarstellung, dass es so nicht weitergeht".

Anke Rehlinger bei "Markus Lanz"
Bei "Markus Lanz" machte SPD-Politikerin Anke Rehlinger Gastgeber Markus Lanz nicht nur mit einer Aussage stutzig. © ZDF / Cornelia Lehmann

Repinski weiter: "Dieses Manifest lässt keine Tür auf für Debatten. Sie schlägt alle Türen zu. Es ist übrigens auch geschichtsvergessen und es ist auch ein Angriff auf Lars Klingbeil." Für den Journalisten sei das Manifest daher "ein massives Warnzeichen": "Ich würde das nicht unterschätzen!"

Anke Rehlinger reagiert genervt

Rehlinger konterte sichtlich genervt: "Ich habe ja gesagt, das löst Debatten jetzt aus und jetzt muss man mit den Argumenten auch nochmal arbeiten." Eine Aussage, die Lanz irritierte: "Jetzt ernsthaft? Damit fangen wir jetzt wieder an nach diesem Krieg? Nach diesem ganzen Wahnsinn?" Der ZDF-Moderator wetterte weiter: "Wenn wir uns ehrlich machen, müssen wir sagen, wir haben da einen historischen Fehler gemacht mit dieser Gas-Abhängigkeit von Russland. (...) Und jetzt fangen wir sowas wieder an?"

Die SPD-Politikerin antwortete prompt: "Wir müssen offensichtlich damit anfangen!" Gleichzeitig fügte Rehlinger hinzu: "Wenn man diese Haltungen hat, (...) dann ist es auch richtig, dass man es vor dem Parteitag zur Diskussion stellt." Laut der Politikerin sei es derweil "nicht in Ordnung", "das jetzt abzusprechen" und zu sagen, "das wäre jetzt ein kleiner Rachefeldzug". Sie schloss ihre Argumentation mit der Feststellung: "Das ist auch nicht zutreffend."

Eine Meinung, die Repinski nicht teilen konnte. Er hielt wütend dagegen: "Das ist Linkspartei, was da hingelegt wird und nicht würdig von Fraktionsmitgliedern einer Partei, die regieren will." Den Vorwurf wollte Rehlinger nicht unkommentiert lassen. Sie sagte, man könne es "für falsch halten", aber "man darf es denjenigen nicht absprechen, dass sie das als ihre Meinung auch innerhalb unserer Partei formulieren".

Die Offenbarung des Abends

Auch der weiter voranschreitende Arbeitsplatzverlust in Deutschland war Thema bei "Markus Lanz". Der ZDF-Moderator fokussierte sich dabei auf die Stahl-Industrie im Saarland, die durch die angedrohten Strafzölle von US-Präsident Donald Trump in Bedrängnis geraten ist. "Wie angespannt ist die Situation in Ihrer Stahl-Industrie tatsächlich?", wollte Lanz in dem Zusammenhang wissen. Ministerpräsidentin Rehlinger antwortete ehrlich, dass es um insgesamt "20.000 Beschäftigte im Saarland" gehe "und darum hängt ein ganzes Ökosystem".

Journalist Repinski reagierte nachdenklich und erklärte, dass das, "was Frau Rehlinger bei sich erlebt", "ein Symptom von diesem verlorenen Reformwillen in Deutschland" sei. Der ZDF-Moderator nickte: "Da hat Herr Repinski recht. Große Strukturreformen haben wir in den letzten Jahrzehnten in der deutschen Politik nicht gewagt. Ist es das, was uns jetzt auf die Füße fällt? Oder fällt uns schlicht auf die Füße, dass sich einfach ein Geschäftsmodell schlicht überholt hat – Industrie aus dem 19. Jahrhundert, die jetzt plötzlich sich im 21. Jahrhundert wiederfindet?"

Ökonom Moritz Schularick stellte daraufhin klar, dass es sicherlich "aus nationalen Sicherheitsgründen" eine Stahl-Industrie in Europa brauche, dennoch merkte er an, dass die Industrie "nicht aus ökonomischen Gründen" aufrechterhalten werden dürfe: "Wann wollen wir denn jemals Strukturwandel zulassen? (...) Jetzt ist doch eigentlich der Augenblick!" Repinski stimmte zu und ergänzte: "Wir müssen lernen, Reformen einzugehen. (...) Und da hat diese Regierung, die einen guten Start hatte, (...) verpasst, die Grundlagen dafür zu legen, dass wir über Reformen uns wieder verbessern können."

Moritz Schularick bei "Markus Lanz"
Ökonom Moritz Schularick sieht in der "Dino-Branche" der deutschen Stahl-Industrie kaum Zukunftspotenzial. © ZDF / Cornelia Lehmann

Der Erkenntnisgewinn

Bei "Markus Lanz" stand neben der deutschen Wirtschaftskrise auch die Migrationsdebatte im Fokus. Dabei kritisierte vor allem Schularick, dass beim Thema Migration of Asyl mit der Zuwanderung von Arbeitskräften vermischt werde.

"Das macht es total schwer, (...) jetzt die richtigen Schritte einzuleiten, um eine wirklich gezielte Zuwanderungspolitik auf die Beine zu stellen, die wir brauchen", verdeutlichte Schularik. Eine Erkenntnis, die auch Rehlinger teilte und erklärte, dass Asylrecht und Arbeitsmigration nicht zusammengeworfen werden dürfe.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF / Cornelia Lehmann