Ein Sonderbericht wirft Jens Spahn vor, bei der Maskenbeschaffung eigenmächtig gehandelt und Milliarden verschwendet zu haben. Bei "Markus Lanz" versuchte der Ex-Gesundheitsminister nun, sich zu verteidigen. Mit seinen Aussagen sorgte er jedoch für Fassungslosigkeit bei dem ZDF-Moderator.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Natascha Wittmann auf die Sendung wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der bislang unveröffentlichte Sonderbericht zur Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie bringt Jens Spahn in Erklärungsnot. Bei "Markus Lanz" redete sich der ehemalige Gesundheitsminister um Kopf und Kragen, als er von dem ZDF-Moderator verbal in die Enge getrieben wurde. Auch mit Blick auf den Israel-Iran-Konflikt eckte Spahn am Mittwochabend mit seiner Meinung an.

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Das Thema der Runde

Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn steht aufgrund des bislang unveröffentlichten Sonderberichts zur Beschaffung von Masken während der Corona-Pandemie erneut unter Druck. Während Spahn sich für eine Veröffentlichung ausspricht und betont, dass er "ein reines Gewissen" habe, hält die neue CDU-Gesundheitsministerin Nina Warken den Bericht zunächst weiter unter Verschluss. Grund genug für Markus Lanz, die Maskenaffäre am Mittwochabend erneut zu beleuchten. Zeitgleich debattierte der ZDF-Moderator auch über den mutmaßlichen Völkerrechtsbruch Israels in Bezug auf die jüngsten Angriffe gegen Iran.

Die Gäste bei "Markus Lanz"

  • Unionsfraktionschef Jens Spahn nimmt Stellung zur Maskenaffäre: "Mein Gewissen ist rein! Wir haben in dieser Zeit nach dem besten Wissen und Gewissen gehandelt."
  • Journalistin Anna Lehmann kritisiert Netanjahus Angriff gegen Iran: "Es bleibt ein völkerrechtswidriger Angriff - ohne Wenn und Aber."
  • Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad informiert über die politische Lage im Iran: "Seit Kriegsbeginn herrscht Panik im Teheraner Regime."
  • Militär-Experte Christian Mölling erläutert, inwieweit Israels Schlag gegen den Iran auch Putin in Bedrängnis bringt: "Der ganze Nahe Osten wird gerade neu sortiert, neu geordnet."
Markus Lanz, Jens Spahn, anna Lehmann, Ali Fathollah-Nejad, Christian Mölling
Am Mittwochabend hatte Markus Lanz (l.) folgende Gäste im Studio (v.l.n.r.): Jens Spahn, Anna Lehmann, Ali Fathollah-Nejad und Christian Mölling. © ZDF/Cornelia Lehmann

Das Wortgefecht

Mit Blick auf die gezielten Angriffe Israels gegen den Iran stellte Markus Lanz am Mittwochabend klar: "Ich höre kaum einen Völkerrechtler, der sagt, das ist in Ordnung, was die da machen." Journalistin Anna Lehmann nickte und fügte hinzu, dass niemand "diesem Regime in Teheran eine Träne hinterher" weine, aber: "Auf der anderen Seite ist es ein völkerrechtswidriger Angriff auf den Iran." Lehmann ergänzte, dass es berechtigte Zweifel gebe "in der Frage: Inwieweit war (...) Iran schon in der Lage, eine Atombombe tatsächlich auf Israel zu werfen".

Über den Präventivschlag Israels sagte die Journalistin daher deutlich: "Wir, der Westen, wir machen uns (...) damit angreifbar. Das Völkerrecht ist unsere letzte Instanz, unsere moralische Basis." Lehmann zog in dem Zusammenhang auch über Bundeskanzler Friedrich Merz vom Leder und sagte: "Jetzt stellt sich ein deutscher Kanzler hin und sagt: 'Bravo, Israel macht für uns die Drecksarbeit'. Ich finde das sowieso menschenverachtend, diesen Ausdruck." Lanz hakte prompt nach: "Sie tun sich schwer mit dem Begriff?" Lehmann nickte energisch: "Auf jeden Fall! Ich finde es menschenverachtend!" Im Iran seien "mittlerweile mehr Zivilisten als Militärs gestorben", erklärte die Journalistin. "Und ich kann doch nicht die Tötung (...) von Zivilisten als Drecksarbeit bezeichnen. Ich finde das zynisch und ich finde, das ist eine Wortwahl, die eines deutschen Bundeskanzlers nicht angemessen ist."

Unionsfraktionschef Jens Spahn hielt prompt dagegen und versicherte: "Das ist sicher nicht das, was der Bundeskanzler gemeint hat!" Laut Spahn sei das Ziel des Iran, "Israel zu vernichten. Und da ist eben die Frage: Muss man jetzt warten, (...) bis die Atombombe da ist?" Laut Spahn handle es sich hier zwar um "eine Grundsatzfrage", aber "wenn das Völkerrecht nachher die Autokraten schützt, die uns bedrohen, die ja aktiv sagen (...), was sie vorhaben, muss man dann einfach da sitzen und warten? Die Debatte sollten wir schon führen."

Ein Argument, das Anna Lehmann fassungslos machte: "Aber Herr Spahn, jetzt mal ehrlich! Sie sagen, wenn das Völkerrecht die Falschen schützt, dann dürfen wir es aushebeln? Was ist denn das für eine Begründung? (...) Dann ist es ja Mittel zum Zweck, je nachdem wie es uns passt! Wenn wir uns mit jemandem unwohl fühlen, dann ist es legitim, das Völkerrecht zu brechen?" Der ehemalige Gesundheitsminister fühlte sich sichtlich in die Ecke gedrängt: "Das habe ich gerade nicht gesagt!" Spahn verteidigte seine Argumentation daraufhin mit den Worten: "Hier geht es um die Frage, ob da eine Atombombe entwickelt wird. Und das ist ja auch das Hauptziel der Angriffe."

Die Offenbarung des Abends

Ähnlich aus der Reserve gelockt wurde Jens Spahn auch, als es um die Aufarbeitung der Maskenaffäre ging. "Nicht Ihr Lieblingsthema", stichelte Lanz. Der Ex-Gesundheitsminister stimmte zwar zu, sagte jedoch, dass es sich um einen medizinischen Kriegsfall gehandelt habe, bei dem nach dem Motto agiert wurde: "Lieber Geld verlieren, als Leben zu verlieren."

Lanz ließ sich davon nicht beirren und wollte wissen, wie es dazu kommen konnte, dass die Regierung 623 Millionen Euro zu viel für die Beschaffung von Masken ausgegeben hat. Spahn versuchte, abzulenken und sagte, dass "weltweit Wildwest" und bei vielen Maskenanbietern "Goldgräber-Stimmung" geherrscht habe. Laut Spahn wollte die Bundesregierung dennoch "sicherstellen unter den Bedingungen", dass genügend Masken geliefert werden. "War das falsch?", hakte Lanz interessiert nach. Spahn nickte: "Aus heutiger Sicht hätte ich dieses ganze Verfahren nicht gemacht."

Anna Lehmann reagierte irritiert und stellte klar, dass es schon damals "Warnungen und Hinweise" gegeben habe - auch aus Spahns Ministerium. Spahn konterte genervt: "Wir waren auf einmal in einer Pandemie, alle haben gesagt, wir brauchen Masken. Wir haben gemerkt, wir haben keine. (...) Was wäre die Alternative gewesen? Nicht zu handeln, abzuwarten?"

Markus Lanz erklärte, dass er dem Politiker "den Druck" in der Situation abnehme. Er kritisierte dennoch die fehlende Aufarbeitung und sagte: "Da entsteht ein ganz komisches Gefühl (...) der Mauschelei." Mit Blick auf den aktuellen Sonderbericht sagte Spahn: "Ich würde den Bericht gerne selber lesen, (...) ich muss nur zur Kenntnis nehmen, wenn Frau Warken sagt, wir müssen den erst einmal durchschauen, was Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und Prozessrisiken angeht."

Als Spahn deutlich machte, dass er gewisse Textteile des Sonderberichts noch nicht kenne, platzte es aus Lanz heraus: "Herr Spahn, das ist doch ein Witz!" Lanz kritisierte: "Sie sind CDU, die Bundesgesundheitsministerin ist CDU! Interessiert Sie das nicht?" Spahn antwortete nüchtern: "Es interessiert mich sogar sehr, aber ich werde - genauso wie jeder andere Abgeordnete auch - warten, bis es dem Bundestag zur Verfügung gestellt wird." Er versprach daraufhin, dass er in jeder Ausschusssitzung "Rede und Antwort stehen" werde.

Dennoch merkte Lanz an, dass der "katastrophale Eindruck" entstehe, dass "alle unter einer Decke" stecken: "Sie wollen nicht ernsthaft der deutschen Öffentlichkeit erzählen, dass Sie nicht in der Lage wären, dafür zu sorgen, dass dieser Bericht öffentlich wird?" Spahn antwortete genervt: "Der Bericht wird aufbereitet und öffentlich werden!" Eine Aussage, die den Moderator irritierte: "Er wird aufbereitet?" Spahn konterte: "Er muss an bestimmten Stellen zum Beispiel geschwärzt werden." Als Lanz stichelte, "Ein Bericht über einen Bericht, es ist absurd", erwiderte Spahn erneut ruhig: "Ich kann es auch nicht ändern."

Der Erkenntnisgewinn

Bei "Markus Lanz" ging es am Mittwochabend sowohl zum Thema Völkerrecht als auch zur Maskenaffäre hoch her. In Bezug auf den zu eskalieren drohenden Nahost-Konflikt sagte Anna Lehmann besorgt: "Völkerrecht ist eine Vereinbarung: Wir greifen einander nicht an, wir verletzen nicht die territoriale Integrität eines anderen Staates." Die Journalistin stellte daraufhin die Frage in den Raum: "Ist es sinnvoll, Recht zu brechen, um Recht zu stärken? Ich würde sagen: Nein." Militär-Experte Christian Mölling stimmte zwar zu, er merkte jedoch auch an: "Krieg ist durch das Völkerrecht nicht ausgeschlossen. Er wird verriegelt." Zeitgleich warnte Mölling vor der Missachtung des Völkerrechts und sagte: "Damit sinkt die Kriegsschwelle. (...) Ich mache ein Fass damit auf, was ich möglicherweise nur sehr schwer wieder zurückdrehen kann." Eine Warnung, die Markus Lanz wiederholte: "Die Welt wird unsicherer dadurch und gefährlicher." Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad stimmte zu und ergänzte: "Das Völkerrecht spielt leider keine Rolle mehr. Und die Box der Pandora wurde geöffnet durch die USA nach 9/11 mit den völkerrechtswidrigen Angriffskriegen in Afghanistan und Irak."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF/Cornelia Lehmann