Ist die Wehrpflicht für alle noch zeitgemäß? Bei "Markus Lanz" äußerte sich nicht nur Karl-Theodor zu Guttenberg zu dem viel diskutierten Thema. Auch Berufssoldat Maik Mutschke, der bei einem Einsatz in Afghanistan schwer verletzt wurde, hatte eine klare Meinung dazu.
Der Zustand der Bundeswehr steht spätestens seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine wieder im Fokus der deutschen Politik. Bei "
Das Thema der Runde
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht war bei den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD ein heiß diskutiertes Thema. Während die Union die seit 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder reaktivieren wollte, setzte die SPD auf einen freiwilligen Dienst.
Markus Lanz nahm dies zum Anlass, am Donnerstagabend über den Koalitionsvertrag und die deutsche Bundeswehr zu debattieren. Dabei warf er ein besonderes Augenmerk auf das Karfreitagsgefecht in Afghanistan, bei dem 2010 drei deutsche Soldaten getötet sowie fünf teils schwer verletzt wurden.
Die Gäste
- Ex-Verteidigungsminister und Unternehmer
Karl-Theodor zu Guttenberg gibt zu, dass er schon immer "ein Anhänger der Wehrpflicht gewesen" ist. - Journalistin Ulrike Herrmann sieht den Karfreitags-Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan kritisch und nennt ihn "einen Fehler".
- Berufssoldat Maik Mutschke sagt über das dramatische Gefecht mit der afghanischen Taliban am Karfreitag 2010: "Mein halbes Gesicht war einfach weggesprengt."
- Autor Hasnain Kazim war während des Karfreitagsgefechts in einem Bundeswehr-Camp in Afghanistan: "Es war gruselig."
Das Wortgefecht
Bei "Markus Lanz" zeigte sich Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg skeptisch, was den Koalitionsvertrag von Union und SPD angeht. Er echauffierte sich jedoch auch über die damit einhergehende Berichterstattung und darüber, dass "wir nichts Besseres zu tun haben, als uns über Mütterrente, über Pendlerpauschale, über (...) den Mindestlohn zu unterhalten". Zu Guttenberg ergänzte wütend: "Es ist in der Debatte schon wieder eine Schieflage eingetreten, wo man sich fragt: Wo sind wir eigentlich? Wir haben eigentlich ganz andere Themen!" Der ehemalige Politiker frage sich deshalb häufig, "ob man eigentlich den Gong gehört hat".
Journalistin Ulrike Herrmann sah dies anders und konterte: "Das finde ich jetzt ein bisschen ungerecht, muss ich sagen." Der Ex-Verteidigungsminister blieb jedoch bei seiner Meinung und erklärte: "Ich sehe das durchaus kritisch, dass da irgendwelche romantischen Lieblingskinder noch reingepackt wurden, die relativ wenig in meinen Augen mit manchen (...) Notwendigkeiten draußen zu tun haben." Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "Was hätte diese Koalition jetzt eigentlich wirklich anpacken müssen?"
Während Karl-Theodor zu Guttenberg den Begriff des Sondervermögens zunächst als "absurd" bezeichnete, nannte er das Thema Bundeswehr ein zentrales Thema, da man "letztlich in die Sicherheit investiert und damit die Schuldenbremse sicher einäschert. Aber das entspricht den großen Themenlagen". Ulrike Herrmann hielt weiter dagegen und stellte klar: "Ich würde gerne widersprechen, wenn Sie sagen, dass das Sondervermögen kein Sondervermögen ist. Also das Geld wird genutzt, um in die Infrastruktur zu investieren. Und damit wird Vermögen geschaffen." Guttenberg stichelte prompt zurück: "Es ist kein Vermögen. (...) Im besten aller Fälle wird es Vermögen." Lanz nickte zustimmend: "Da hat er einen Punkt. Es sind erstmal Schulden."
Der ZDF-Moderator fragte weiter: "Ist das gutes Personal, das wir da gerade an der Spitze haben?" Eine Frage, auf die zu Guttenberg mit einem schwammigen "Wird sich zeigen" reagierte. Lanz ließ jedoch nicht locker und hakte nach: "Friedrich Merz als Kanzler - überzeugt Sie?" Auch hier blieb zu Guttenberg wortkarg: "Ich glaube, das wird sich insbesondere auf dem internationalen Parkett dann erweisen." Eine Aussage, die den Moderator stutzig machte: "Sie sind nicht überzeugt, dass das ein richtig guter Mann ist an der Spitze des Landes?" Der Ex-Verteidigungsminister antwortete nüchtern: "Er war jetzt bislang Oppositionsführer und da hat er nicht alles schlecht gemacht. (...) Ich traue es ihm zu, aber ob es ihm gelingt, hängt natürlich auch davon ab, ob der Laden mitspielt."
Die Offenbarung des Abends
In seiner Sendung erinnerte Markus Lanz auch an den verhängnisvollen Karfreitag im Jahr 2010, bei dem drei Bundeswehrsoldaten ihr Leben ließen, nachdem sie in einen Hinterhalt der Taliban geraten waren. Berufssoldat Maik Mutschke war bei dem achtstündigen Gefecht dabei und überlebte nur knapp. Die Bilder des damaligen Einsatzes waren für ihn auch 15 Jahre später noch kaum zu ertragen. "Es ist halt schwer. (...) Teilweise fragt man sich, wofür", so der Soldat. Unter Tränen ergänzte er, dass er damals von einer Mine mit 40 Kilo Sprengstoff erwischt wurde: "Ich selbst bin (...) für mein Leben damit gezeichnet." Während Markus Lanz mit einem fassungslosen "Wahnsinn" reagierte, gab Karl-Theodor zu Guttenberg zu: "Mich erschüttert das."
Dennoch machte Maik Mutschke deutlich, dass er seinen Einsatz in Afghanistan nicht bereue: "Wir konnten im Allgemeinen der Bevölkerung eine gewisse Stabilität bieten." Als Lanz nachhakte, ob sich der Einsatz am Ende "gelohnt" habe, antwortete der Soldat ehrlich: "Ich finde schon." Auch Karl-Theodor zu Guttenberg stellte klar: "Es gab Elemente, die man auch durchaus positiv sehen kann und muss. Und deswegen ist nicht alles vergebens gewesen, was Sie vor Ort gemacht haben."
Auch Journalist Hasnain Kazim erläuterte mit ernstem Blick, dass die "Demokratie so wertvoll (...) und so wichtig" sei, "dass es sich lohnt, das zu verteidigen - notfalls mit der Waffe". Während er sich wie Maik Mutschke für die Wehrpflicht aussprach, reagierte Ulrike Herrmann skeptisch. "Man hat ja nichts. Man hat keine Kasernen, man hat keine Ausbilder. (...) Die ganze Struktur ist doch weg", so die Journalistin. "Die müsste man schaffen, aber das sind Prozesse von Jahren."
Karl-Theodor zu Guttenberg entgegnete daraufhin: "Wenn man es allerdings will, kann man das eine oder andere wohl auch beschleunigen." Der Ex-Verteidigungsminister ergänzte, dass er "ein Anhänger der Wehrpflicht gewesen" sei und es "auch heute" noch ist, "wenn sie anständig ausgestaltet ist". Dahin könne man und sollte man wieder kommen. "Und deswegen befürworte ich die Debatte, die gerade geführt wird", so zu Guttenberg.
Der Erkenntnisgewinn
Mit Karl-Theodor zu Guttenberg debattierte Markus Lanz am Donnerstagabend unter anderem leidenschaftlich zum Thema Wehrpflicht. Er fragte den Ex-Verteidigungsminister: "Sie haben damals die Wehrpflicht ausgesetzt. Warum?" Zu Guttenberg antwortete ehrlich: "Der eine Grund war der, dass wir sie uns nicht mehr leisten konnten." Er ergänzte: "Das Zweite ist, dass wir es mit einem Modell zu tun haben, das mit 'verkrüppelt' noch milde umschrieben ist." © 1&1 Mail & Media/teleschau