In einem Brief fordern mehr als 100 SPD-Mitglieder einen Kurswechsel in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Bei "Markus Lanz" zeigte sich Linken-Chef Jan van Aken verständnisvoll für die SPD-Initiative und sprach sich gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Eine Haltung, die nicht nur den ZDF-Moderator fassungslos machte.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Natascha Wittmann auf die Sendung wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das Thema der Runde

Der russische Angriffskrieg wütet weiter, ohne einen Hinweis auf baldigen Frieden in der Ukraine. Trotz der prekären Lage fordern einige prominente SPD-Politiker in einem Friedensmanifest Gespräche mit Russland sowie eine Umkehr in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. ZDF-Moderator Markus Lanz nahm dies zum Anlass, am Donnerstagabend über eine mögliche Abrüstung sowie die Forderung zu debattieren, künftig keine Waffen mehr an die Ukraine zu senden.

Die Gäste

  • Linken-Chef Jan van Aken erläutert die ablehnende Haltung seiner Partei zu Aufrüstung: "Mittlerweile sieht es düster aus für eine wirkliche Abrüstung."
  • Journalistin Mariam Lau hinterfragt die Position der Linken und offenbart: "Das Problem mit der Linken ist, sie steht immer mit einem Bein in der Illiberalität."
  • Politikwissenschaftler Frank Sauer erklärt mit Blick auf die Wehrhaftigkeit Deutschlands: "Ohne eine Wehrpflicht wird es nicht gehen."
  • Podcaster Fritz Espenlaub sagt über Tech-Milliardär und Trump-Unterstützer Peter Thiel: "Dieser Mann ist der wahre Architekt des neuen, des rechten Amerikas."

Das Wortgefecht

Bei "Markus Lanz" stellte Podcaster Fritz Espenlaub klar, dass man die Ukraine "nach Kräften unterstützen" müsse. Der ZDF-Moderator hakte prompt nach: "Was ist das für Sie? Ist das für Sie eine moralische Frage?" Espenlaub nickte: "Ja, selbstverständlich. Es gibt ja kaum einen moralisch klareren Konflikt als den Ukraine-Krieg."

Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "Kennen Sie das aktuelle Manifest der SPD?" Der Podcaster antwortete ehrlich: "Ja, ich bin kein Fan davon." Espenlaub weiter: "Ich frage mich, wie man nach mittlerweile drei Jahren von dem, was wir da sehen in der Ukraine, immer noch an dem Punkt ist, akademische Diskussionen zu führen. (...) Ich habe da kein Verständnis dafür."

Linken-Chef Jan van Aken hielt jedoch dagegen und sagte: "Ich finde das nicht nur eine akademische Diskussion. (...) Irgendwann werden die Waffen schweigen. Dann müssen wir langsam anfangen, wieder Vertrauen aufzubauen. (...) Ich finde es nie falsch, auch mal 50 Jahre nach vorne zu denken." Dass Russland auch "in 50 Jahren" noch ein Nachbarland sein wird, sei laut van Aken "nicht nur akademisch, sondern das ist ganz real".

Fritz Espenlaub konterte irritiert: "Mit Verlaub, ich brauche dieses Papier nicht! Das ist doch vollkommen klar, dass nicht in 50 Jahren sich die Geografie der Erde verändert hat und plötzlich dieses Land nicht mehr neben uns ist." Der Podcaster wetterte weiter: "Dass natürlich, wenn die Waffen eines Tages schweigen, man wieder aufeinander zugehen muss, (...) niemand bezweifelt das. (...) Ich brauche keine politische Diskussion, die mir solche Binsenweisheiten vorlegt."

Fritz Espenlaub
Podcaster Fritz Espenlaub macht sich bei "Markus Lanz" für eine umfassende Unterstützung der Ukraine stark und bezeichnet die Debatte um einen Waffenlieferungsstopp als "absurd". © ZDF / Cornelia Lehmann

Jan van Aken blieb dennoch bei seiner Meinung und machte sich gegen eine weitere Aufrüstung stark. Mit Blick auf die Stationierung amerikanischer Mittel- und Langstreckenraketen sagte der Linken-Chef: "Ich finde das falsch! (...) Wir können immer weiter aufrüsten, oder wir fangen jetzt mal an, darüber nachzudenken: (...) Wie wollen wir diese Rüstungsspirale durchbrechen?" Der Linken-Chef redete sich weiter in Rage und mahnte: "Ich will nicht 50 Jahre im Krieg leben (...) und wir haben auch eine Verantwortung dafür, jetzt die Weichen richtigzustellen."

Der ZDF-Moderator fragte daraufhin konkret: "Sie würden keine weitere Waffe in die Ukraine liefern?" Van Aken schüttelte mit dem Kopf: "Würde ich nicht machen, nein!" Espenlaub zeigte sich fassungslos und bezeichnete die Debatte als "ein bisschen absurd", denn: "Wenn wir weiter so machen, (...) dann wird das (...) nichts mit irgendeiner friedlichen Welt. Dann wird das auch nichts mehr mit Europa und dann wird das möglicherweise auch nichts mehr mit einer Bundesrepublik Deutschland."

Eine Aussage, die Lanz stutzig machte: "Das finde ich jetzt ein bisschen hart." Auch van Aken hielt entschieden dagegen und sagte: "So lange ich Optionen sehe, die nicht militärisch sind, (...) sage ich: Nein, dann sind Waffenlieferungen falsch."

Die Offenbarung des Abends

Bei "Markus Lanz" wurde deutlich, dass Wladimir Putin keine Anstalten macht, den Krieg zeitnah zu beenden. Im Gegenteil – laut Lanz rekrutiere Putin aktuell 30.000 Soldaten im Monat. Eine Zahl, die Politikwissenschaftler Frank Sauer bestätigte und ergänzte, dass Putin "exorbitante Summen (...) für die Rekrutierung" ausgebe.

In dem Zusammenhang warnte Sauer auch vor einem zunehmenden Einsatz autonomer Waffen wie Drohnen. "Uns stehen (...) interessante Diskussionen auch in Deutschland und mit Blick auf die Bundeswehr ins Haus, weil es keinen Weg daran vorbei gibt, solche Technologien auch zu nutzen auch auf unserer Seite", so Sauer deutlich. Er fügte mit strenger Miene hinzu, dass man darüber "nicht eine Dekade debattieren" dürfe.

Van Aken reagierte zwiegespalten und gab zu: "Mittlerweile sieht es düster aus für eine wirkliche Abrüstung." In Bezug auf den Einsatz von Drohnen warnte van Aken: "Diese Vorstellung! Das ist ja wie so Science Fiction aus den 60er-Jahren, dass eine Maschine über Leben und Tod entscheidet." Vielleicht gerade deshalb sprach sich der Linken-Chef energisch gegen das Sondervermögen für die Bundeswehr aus und sagte: "Wenn es um die Verteidigung der EU und der deutschen Grenzen geht, dann reicht das Geld, was da ist."

Während Frank Sauer mit einem deutlichen "Nein, also beim besten Willen nicht" konterte, fragte van Aken schließlich in die Runde: "Wofür sollte es plötzlich viermal so viel Geld für die Bundeswehr brauchen für eine reine Verteidigung gegen Russland?"

Der Erkenntnisgewinn

In der ZDF-Sendung sprach sich nicht nur Espenlaub, sondern auch Mariam Lau gegen das SPD-Manifest aus. Die Journalistin bezeichnete das Grundsatzpapier als "rückwärtsgewandt" und sagte: "Das ist einfach die Wiederkehr einer Formel, (...) mit der wir komplett gescheitert sind."

Empfehlungen der Redaktion

Während van Aken zwar immer wieder das Papier in Schutz nahm, musste er schlussendlich zugeben: "Diesen Krieg hat Russland vom Zaun gebrochen. Der wäre sofort zu Ende, wenn Russland jetzt seine Truppen zurückzieht. Die einzige Verantwortung für den Krieg in der Ukraine liegt bei Russland. Da sind wir uns doch hier alle einig." Eine Aussage, auf die Lanz nüchtern konterte: "In diesem Manifest ist man sich da offenbar nicht einig."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF/Cornelia Lehmann