Union und SPD planen eine drastische Reform beim Bürgergeld. Grund genug für Markus Lanz, den ehemaligen Gesundheitsminister Karl Lauterbach damit am Donnerstagabend zu konfrontieren. Als es dabei um den fehlenden Leistungsgedanken in Verbindung mit der bisherigen Politik der SPD ging, platzte dem ehemaligen Gesundheitsminister jedoch der Kragen.
Das Thema der Runde
In seiner ersten Regierungserklärung warb Bundeskanzler Friedrich Merz für ein geeintes und starkes Europa. Dabei schlug er - im Gegensatz zu seinen Reden als Oppositionsführer - überraschend leise und versöhnliche Töne an. Ein Anlass für
Die Gäste
- SPD-Politiker
Karl Lauterbach nimmt Stellung zur Agenda von Schwarz-Rot: "Wir müssen jetzt liefern." - Journalistin Eva Quadbeck sagt über
Friedrich Merz zum Start der neuen Bundesregierung: "Er hat sich als Mann der Mitte positioniert." - ZDF-Korrespondent Johannes Hano berichtet von seinen Recherchen für seine Doku "Putins Helfer": "Das Ziel ist, Amerika - so wie wir es kennen - schlicht zu erledigen."
- Ökonom Rüdiger Bachmann äußert sich zur amerikanischen Wirtschaftslage und bezeichnet Trumps Kabinett als "Idioten-Regierung".
Das Wortgefecht
Zum Start der neuen Bundesregierung zeigte sich Journalistin Eva Quadbeck zunächst optimistisch. Über den neuen Kanzler Friedrich Merz sagte sie: "Er hat sich als Mann der Mitte positioniert." Laut Quadbeck habe Merz mit seiner Antrittsrede "einen neuen Akzent für seine jetzt kommende Regierungspolitik gesetzt". Auch Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach musste zugeben: "Das war eine solide Brot-und-Butter-Rede." Eine Aussage, die Lanz zum Lachen brachte: "Da wird er sich freuen über das Kompliment."
Lauterbach ignorierte die Stichelei und stellte klar: "Wir müssen jetzt liefern." Besonders im Bereich der Wirtschaft und Digitalisierung müsse laut des Politikers ein Wandel stattfinden. Lauterbach machte dabei deutlich, dass die SPD dafür stehe, stark zu werden. "Es ist einfach ein Vorurteil, zu glauben, wir sind da nicht auf dem Platz!" Eine Steilvorlage für Lanz, der der SPD unterstellte, mit politischen Maßnahmen wie dem Bürgergeld Mitschuld am schwindenden Leistungswillen in der Gesellschaft zu tragen. Lanz bemängelte weiter, dass die SPD jetzt von dem Begriff Bürgergeld "plötzlich nichts mehr wissen" wolle.
Ein Vorwurf, den Karl Lauterbach entschieden von sich wies: "Was heißt, nichts mehr wissen? Dass das Bürgergeld in der jetzigen Form nicht funktioniert hat, das ist doch auch in der SPD nicht strittig." Lanz konterte wütend: "Merz sagt, das wird abgeschafft!" Als Lanz erneut den schwindenden Leistungsgedanken in der Gesellschaft mit der SPD in Verbindung brachte, platzte Lauterbach der Kragen: "Das ist doch falsch jetzt. Es gibt Leistungswillen auch in der SPD. Diese Vorurteile, das nervt ungemein! Das Bürgergeld hat so nicht funktioniert - das muss man sagen. Dann räumt man es ab. (...) Aber dass der SPD unterstellt wird, es gebe keinen Leistungswillen, das ist einfach falsch."

Der ZDF-Moderator ließ jedoch nicht locker und wetterte weiter: "Sie sind die klassische Partei der Arbeiterschaft. Diese Arbeiterschaft wählt sie nicht mehr, weil sie das Gefühl hat, dass es nicht mehr gerecht zugeht in diesem Land. Und die wenden sich in Scharen der AfD zu!" Der SPD-Politiker knickte plötzlich ein und sagte: "Ich streite ja nicht ab, dass uns das Bürgergeld geschadet hat. (...) Die Diagnose ist richtig: Die Arbeiter wählen uns nicht mehr." Lauterbach fügte fast kleinlaut hinzu: "Ich bin ja dafür, dass sich Arbeit lohnt. Ich stehe voll hinter dem Leistungsprinzip und bekenne mich auch dazu. Ich bin ein Workaholic. Ich wende mich nur gegen das Vorurteil, mit der SPD wäre da kein Blumentopf zu gewinnen."
Die Offenbarung des Abends
Bei "Markus Lanz" stand unter anderem das Aufstiegsversprechen sowie das "Streben nach Work-Life-Balance" im Fokus der Debatte. Dazu wagte Journalistin Eva Quadbeck die ehrliche Prognose: "Zu viele Menschen meinen, Politik sei 'à la carte'. Ich wähle mir mal das aus, was für mein Leben praktisch ist und der Rest wird dann schon laufen (...). Da sind wir sicherlich an einem Punkt, an dem sich Gesellschaft auch verändern muss und das ist unbequem."

Eine Aussage, der ZDF-Korrespondent Johannes Hano nur zustimmen konnte. Er ergänzte: "Wenn man vom Ausland draufschaut, fällt mir eigentlich immer auf, dass wir in Deutschland nach wie vor ungeheuer arrogant sind. Dass wir glauben, dass wir viel wichtiger sind, als wir wirklich sind. Dass wir bestimmte Ansprüche haben, die wir längst nicht mehr erfüllen können."
Ökonom Rüdiger Bachmann zeigte sich dennoch hoffnungsvoll mit Blick auf den Start der neuen Regierung unter Friedrich Merz, denn: "Dass er eben Europa und die Ukraine so zentral nach vorne gestellt hat, das fand ich sehr sympathisch." Karl Lauterbach nickte, warnte jedoch vor einer zu starken Abhängigkeit von Amerika - besonders in Bezug auf die Regierung unter Trump. "Wir müssen unabhängiger werden", so Lauterbach. Der SPD-Mann ergänzte: "Wollen wir Fortschritt, müssen wir auch mehr riskieren."
Lesen Sie auch
Der Erkenntnisgewinn
Bei "Markus Lanz" machte SPD-Politiker Karl Lauterbach deutlich, dass die neue Bundesregierung zweifelsohne vor großen Herausforderungen steht: "Was jetzt da in den nächsten Wochen passiert, das wird darüber entscheiden, wie es weitergeht." Grund genug für Lanz, den ehemaligen Gesundheitsminister zu fragen: "Ihre persönliche Work-Life-Balance, wie ist die jetzt?"
Lauterbach antwortete ehrlich: "Ich habe jetzt mehr Zeit und versuche, die mit Arbeit zu füllen." Der Politiker ergänzte mit Blick auf seinen verlorenen Posten: "Das ist Demokratie. Wir haben einen reibungslosen Machtwechsel hinbekommen. Wir sprechen nicht schlecht über unsere Nachfolger. Damit müssen wir jetzt irgendwie klarkommen." Lanz ließ sich davon nicht beirren und wollte wissen, ob SPD-Chef Lars Klingbeil ihn persönlich über seinen Posten-Verlust informiert habe. Lauterbach antwortete plötzlich schwammig: "Ich hab's auf jeden Fall rechtzeitig erfahren. So viel kann ich hier preisgeben und so ist es halt!" © 1&1 Mail & Media/teleschau