Minister aus aller Welt und der UNO-Generalsekretär sind nach Berlin gekommen. Sie sollen beraten, wie Friedensmissionen besser ausgestattet werden und effektiver arbeiten können. Denn den sogenannten Blauhelm-Einsätzen mangelt es an Personal und Gerät.

Eine Analyse
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Sie sind ein Symbol der weltweiten Solidarität: Staaten unterstützen sich über Ländergrenzen hinweg, um fragilen Frieden zu sichern. Sie können aber auch ein Symbol des Scheiterns sein, wenn genau das nicht gelingt – und sie nur hilflos dabei zusehen müssen, wie die Gewalt zurückkehrt.

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Die Friedensmissionen kommen weltweit zum Einsatz, wenn die schlimmste Gewalt in Kriegen vorbei ist. Sie überwachen Waffenstillstände und verhindern damit möglichst neue Kämpfe. Sie zerstören Waffen oder helfen beim Aufbau von rechtsstaatlichen Institutionen und der Durchführung von Wahlen.

Elf dieser Missionen mit zusammen rund 70.000 Soldaten, Polizisten und zivilen Helfern sind derzeit weltweit im Einsatz, zum Beispiel in Südsudan, dem Kongo, Libanon und Kosovo. Doch das "Peacekeeping", wie die Friedenssicherung im UNO-Englisch heißen, steht unter Druck.

Staaten fahren ihre finanzielle Unterstützung für die internationale Zusammenarbeit zurück. Auch weil sie ihre hochgesteckten Ziele verfehlten, standen Missionen immer wieder in der Kritik. In den 90er Jahren konnten Blauhelme in Bosnien-Herzegowina und Ruanda Massaker an der Zivilbevölkerung nicht verhindern. In Mali wurde die UNO-Mission MINUSMA 2022 von der dortigen Regierung quasi aus dem Land geworfen. In Kaschmir brach der gewaltsame Konflikt zwischen Indien und Pakistan in den vergangenen Wochen wieder aus – obwohl bereits seit 1949 eine UN-Mission vor Ort ist.

130 Staaten bei "Peacekeeping Ministerial" im Auswärtigen Amt

Um die Zukunft der UNO-Friedensmissionen geht es gerade beim "Peacekeeping Ministerial", einer Konferenz in Berlin. Mehr als 130 Staaten haben dafür rund 800 Delegierte nach Deutschland geschickt, darunter fast 60 Außen- und Verteidigungsminister. Auch UNO-Generalsekretär António Guterres nimmt erstmals an einer Ministertagung dieser Art teil. Es ist die größte Konferenz, die das Auswärtige Amt je ausgerichtet hat. Gastgeber sind Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

Die Bundesregierung will damit auch ein Zeichen setzen: Die Bundeswehr hat ihr Engagement in diesem Bereich deutlich zurückgefahren. Gerade einmal 300 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind weltweit in sechs Missionen im Einsatz. Der Schwerpunkt der Truppe liegt wieder auf der Verteidigung des eigenen Landes und des Nato-Bündnisses.

"Gleichzeitig dürfen wir die internationalen Krisen und Konflikte nicht aus dem Blick verlieren. Wir werden uns auch weiterhin international spürbar engagieren", sagte Verteidigungsminister Pistorius am Dienstag.

Das passiert auch aus Eigeninteresse: Schließlich hätten Kriegen und Krise auf der Welt immer auch negative Rückwirkungen auf Stabilität und Wohlstand in Europa, sagt Pistorius. Und Grund zur Beunruhigung besteht derzeit auf jeden Fall. Man erlebe mehr innerstaatliche und internationale Konflikte wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg, teilte vor kurzem der zuständige UNO-Unter-Generalsekretär Jean-Pierre Lacroix mit.

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Neue Zusagen erwartet

Bei der Konferenz soll neue Unterstützung für die Missionen zusammenkommen. Denn die Anforderungen an die Missionen sind häufig hoch – genau wie die Hoffnungen der Menschen vor Ort. Doch die Blauhelm-Truppen sind häufig gar nicht gut genug ausgestattet, um sie zu erfüllen.

Es fehlt bei mehreren Missionen nicht nur an Personal, sondern zum Beispiel auch an Helikoptern oder geschützten Fahrzeugen. Unklar ist, ob die USA in Zukunft als Zahler komplett ausfallen – entsprechende Signale aus Washington gibt es. Dabei ist die UNO dringend auf Beiträge der Mitgliedsstaaten angewiesen, denn sie verfügt weder über eigene Truppen noch Gerät.

Deutschland ist der viertgrößte Beitragszahler in dem Bereich. Die Bundesregierung will am Mittwoch auch weitere Zusagen verkünden – verrät aber noch keine Einzelheiten.

Wadephul: Missionen müssen flexibler werden

Der Druck sei hoch, die Zeiten für die UNO-Friedenstruppen schon einfacher gewesen, räumt Bundesaußenminister Wadephul am Dienstag zum Auftakt der Konferenz ein. Daran müsse sich das "Peacekeeping" anpassen.

Der neue Chefdiplomat weiß aber auch: Auf immer mehr Geld kann man nicht hoffen. Wadephul spricht sich dafür aus, die Missionen flexibler, effektiver und weniger bürokratisch zu machen. Eine erfolgreiche Mission müsse auf die spezifischen Bedingungen vor Ort zugeschnitten sein – und sie brauche eine klare Strategie für einen Ausstieg, wenn sie ihr Ziel nicht erreicht.

Die Missionen werden auch Kosten senken und Doppelstrukturen abbauen müssen. Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass sich Blauhelme besser mit dem UN-Kinderhilfswerk Unicef absprechen, wenn es in einem Land ebenfalls aktiv ist.

Doch die Friedenstruppen stehen vor neuen Herausforderungen: etwa von Kriegsparteien gestreute Falschinformationen über ihre Arbeit. "Wir müssen Desinformationskampagnen und Attacken auf UNO-Personal mit Entschlossenheit und Transparenz entgegentreten. Deswegen müssen wir in strategische Kommunikation investieren", sagt Wadephul.

Ein weiterer Punkt: Auch die Staaten, in denen die Missionen stattfinden, fordern mehr Mitsprache. Die Zusammenarbeit müsse sich verbessern, sagt Malis Außenminister Abdoulaye Diop in Berlin. Aber auch er betont: Vor allem müssten die Einsätze besser auf die Bedingungen des Landes zugeschnitten werden, in denen sie Frieden sichern sollen. Das sei etwa in Mali das Problem gewesen. UN-Blauhelme waren aus seiner Sicht überfordert mit dem komplizierten Konflikt. "Man kann keine Friedensmission einsetzen, wenn es noch keinen Frieden gibt", sagt Diop.

Friedenstruppen für die Ukraine? Offiziell kein Thema

Womöglich wird in der nicht allzu fernen Zukunft über einen weiteren Einsatz diskutiert: eine Mission für die Ukraine, falls es dort eines Tages einen Frieden zu sichern gibt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einen Blauhelm-Einsatz zur Sicherung eines möglichen Waffenstillstands in Spiel gebracht.

Offiziell steht das Thema Ukraine in Berlin aber nicht auf der Tagesordnung. Um über eine UNO-Mission zu spekulieren, sei es noch viel zu früh, heißt es. Allerdings dürfte das Thema in den vielen inoffiziellen Gesprächen durchaus eine Rolle spielen. Und in der Ukraine werden die Menschen sich sicher freuen, wenn die Zeiten irgendwann reif sind für UNO-Blauhelme.

Verwendete Quellen