Deutschland wird im Juni Schauplatz eines großen Luftwaffen-Manövers. Die Nato will dabei die Verteidigung im Bündnisfall üben. Das hat auch Auswirkungen auf den zivilen Luftverkehr.
Die Bundeswehr plant gemeinsam mit der Nato und Verbündeten eine großangelegte Übung von Luftstreitkräften, die vom 12. bis zum 23. Juni hauptsächlich in Deutschland stattfinden soll. 220 Flugzeuge aus 24 Ländern sollen am Manöver "Air Defender 2023" teilnehmen, kündigte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, bei der Vorstellung des Manövers am Dienstag in der US-Hauptstadt Washington an.
"Es geht bei dieser Übung historischen Ausmaßes um glaubwürdige Bündnisverteidigung. Die Nato ist ein absolut defensives Bündnis, aber wir müssen jedem zeigen: Wenn es drauf ankommt, sind wir auch in der Lage, unsere Werte – Freiheit und Demokratie – in dieser Allianz zu verteidigen", sagte Gerhartz.
Nato übt den Bündnisfall im Luftraum über Deutschland
Die USA nehmen bei der Übung eine zentrale Rolle ein. Sie beteiligen sich den Angaben zufolge mit etwa 100 Flugzeugen und circa 2.000 Soldaten. Der für den Luftraum zuständige Teil der Nationalgarde werde Personal und Flugzeuge aus 35 US-Bundesstaaten nach Europa bringen, um dort "ein klassisches Artikel-5-Nato-Szenario" zu üben.
In Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, dem Gründungsdokument des Bündnisses, ist geregelt, dass sich die Bündnispartner verpflichten, bei einem bewaffneten Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen Beistand zu leisten. "Das ist, wenn wir den Verlegeanteil sehen, die größte Verlegung seit Gründung der Nato", so Gerhartz.
Die deutschen Hauptstandorte der Übung sind laut Bundeswehr die Flugplätze Schleswig-Jagel, Hohn (beide Schleswig-Holstein), Wunstorf (Niedersachsen), Lechfeld (Bayern) und Spangdahlem (Rheinland-Pfalz). Die deutsche Luftverkehrsbranche hatte mit Blick auf das Manöver Bedenken geäußert – wegen des ohnehin schon hoch belasteten deutschen Luftraums.
Gerhartz sagte: "Die Luftbewegungen, die wir täglich haben, werden überwiegend über Nord- und Ostsee, also über den Seegebieten, stattfinden." Nicht der gesamte Luftraum werde bei dem Manöver gleichzeitig genutzt, sondern die verschiedenen Zonen nach einer rotierenden Abfolge. Die Übung finde vor den Sommerferien statt. Nachts werde es keine Übungsflüge geben.
Aber so einfach scheint es dann doch nicht zu sein. Durch die Übungen werden Lufträume über dem Emsland, der Nordsee, Mecklenburg-Vorpommern, der Ostsee bis hin ins Saarland und Bayern gesperrt. In diesen Gebieten wird es wohl laut werden. "Insbesondere die Standorte Wunstorf bei Hannover und Jagel bei Schleswig sind Dreh- und Angelpunkte während der Übung im Juni", betont die Bundeswehr auf "SZ"-Anfrage.
Damit aber nicht genug. Für das Manöver müssen auch Lufträume über mehrere Stunden gesperrt werden. An mindestens neun Tagen könnte in manchen Regionen aufgrund der "Air Defender"-Übung teilweise nichts mehr gehen. Linienflieger, Kleinflugzeuge und Drohnen haben dann das Nachsehen. Nur noch Rettungshubschrauber und Polizeihelikopter dürften dann noch fliegen.
Nato-Übung könnte Urlaubsreiseverkehr teilweise belasten
Wie die "SZ" schreibt, hat die Deutsche Luftsicherung (DFS) bereits erste Simulationen durchgeführt. "Die Auswirkungen sind spürbar", heißt es. Da aber wohl nicht immer der gesamte Luftraum dicht gemacht wird und vielleicht auch Korridore für niedrige Flughöhen offen bleiben können, dürften Linienflieger auch landen können. Die Bundeswehr habe allerdings immer Vorrang, erklärt die DFS.
Ein weiteres Problem ist, dass noch nicht ganz klar ist, wann und wo genau die Übungen stattfinden werden. Die Luftfahrtbranche wünscht sich deshalb schnell Klarheit. Denn schon kleinste Änderungen am Flugplan kann große Auswirkungen nach sich ziehen. Der Flugverkehr sei ein "sehr eng getaktetes System, das schon auf kleine Störungen empfindlich reagiert", sagt die DFS.
Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, ist sich sicher, dass es wegen "Air Defender" auch zu Beeinträchtigungen für Passagier kommen kann. Der "SZ" sagt er, der deutsche Luftraum sei "ohnehin hochbelastet".
Die Nato soll dies aber mit bedacht haben – im Sinne der Airlines. Daher fällt lediglich der letzte Tag der Übung (22. Juni) auf den Beginn der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen. Zumindest an dem Tag könnte es Beeinträchtigungen im Reiseverkehr geben. (mt/dpa/the)

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