Verstieß Israels Angriff gegen den Iran gegen Völkerrecht? Ein Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags legt das zumindest nahe. Auch die USA kommen dabei nicht gut weg.
Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags machen in einem Gutachten "erhebliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der israelischen und US-amerikanischen Angriffe auf den Iran geltend. Die "ganz überwiegende Zahl der Völkerrechtler" sehe die Kriterien für eine "Selbstverteidigungslage" Israels nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen nicht als erfüllt an, heißt es in der 54-seitigen Expertise, die vom Linken-Abgeordneten Ulrich Thoden in Auftrag gegeben wurde und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Israels Beweise fehlen
Israel hätte nach Ansicht der Wissenschaftler beweisen müssen, dass der Iran unmittelbar vor dem Bau einer Atomwaffe stand. "Die Herstellung von ausreichend spaltbarem Material im Rahmen des iranischen Atomprogramms ist dabei nur ein notwendiger Zwischenschritt", heißt es in dem Gutachten. Außerdem hätte dargelegt werden müssen, dass der Iran die feste Absicht hatte, eine solche Waffe gegen Israel einzusetzen und dass die Militäroperation "Rising Lion" wirklich die letzte Gelegenheit war, den Bau der Atombombe zu verhindern. All dies sei "nach dem nahezu einhelligen Urteil der Völkerrechtslehre" nicht hinreichend geschehen.
Zwar sei es nicht ausgeschlossen, dass Geheimdienste noch über Informationen verfügten, die noch nicht öffentlich kommuniziert worden seien und die Faktenlage noch ändern könnten. "Gleichwohl steht Israel jetzt in der Pflicht, sein militärisches Handeln gegen den Iran jetzt rechtlich zu begründen."
Auch das Eingreifen der USA in den Krieg wäre nach Ansicht der Wissenschaftler nur vom Völkerrecht gedeckt, wenn die israelischen Angriffe völkerrechtskonform wären, woran es "erhebliche Zweifel" gebe. Deswegen lasse sich die US-Militäroperation "entgegen dem amerikanischen Rechtfertigungsnarrativ" nicht auf das Recht auf kollektive Selbstverteidigung stützen, heißt es in dem Gutachten.
Die am 13. Juni gestartete Militäroperation "Rising Lion" richtete sich gegen iranische Atomanlagen und militärische Einrichtungen, aber auch gegen hochrangige Militärs und Atomphysiker. Am 22. Juni griffen die USA mit Luftangriffen auf iranische Atomanlagen in den Krieg ein. Drei Tage später trat eine Waffenruhe in Kraft.
Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags erstellen im Auftrag einzelner Abgeordneter oder Bundestags-Gremien Expertisen, um die Arbeit des Parlaments zu unterstützen. In dem aktuellen Gutachten, das vom 3. Juli datiert, warnen die Autoren davor, das Selbstverteidigungsrecht zur Durchsetzung sicherheitspolitischer Interessen zu missbrauchen. "Gute Gründe sprechen dafür, die bestehenden völkerrechtlichen Normen (wie z.B. das Selbstverteidigungsrecht), die einen Verstoß gegen das Gewaltverbot rechtfertigen, nicht über Gebühr zu strapazieren und zu überdehnen und das Gewaltverbot dadurch auszuhöhlen", heißt es in der Expertise.
Merz stellt sich hinter die Angriffe Israels und der USA
Die Bundesregierung hat sich bisher nicht zu der Frage geäußert, ob die Angriffe Israels und der USA auf den Iran aus ihrer Sicht völkerrechtswidrig sind. Bundeskanzler
Merz hat sogar für einen Aufreger gesorgt, als er in einem ZDF-Interview mit Blick auf Israels Krieg gegen den Iran das Wort "Drecksarbeit" benutzt hat. "Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle", sagte er.
Der Linken-Politiker Thoden sieht die These der Völkerrechtswidrigkeit der Angriffe durch das Gutachten belegt. Es sei daher "auch eine Ohrfeige für die Bundesregierung", sagt er. "Die Duldung bis Unterstützung der Bundesregierung der Angriffe Israels und der USA war somit auch ein Rechtsbruch und leistet der weiteren Erodierung des Völkerrechts Vorschub." (dpa/bearbeitet von the)