Im Thüringer BSW droht ein Machtkampf, der auch der Bundespartei schaden könnte. Auf dem Landesparteitag am Wochenende könnte es bei der Wahl der Vorsitzenden schon eine Richtungsentscheidung geben.
Am Wochenende werden die beiden Thüringer Landesvorsitzenden des BSW, Katja Wolf und Steffen Schütz, von Vertretern des Wagenknecht-Lagers herausgefordert. Sie hätten zu viele Ämter inne, so der offizielle Vorwurf. Mitten in dieser Debatte hat Schütz am Donnerstagmittag seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur bekannt gegeben. Damit spitzt sich der Machtkampf im Bündnis Sahra Wagenknecht weiter zu, der auch Auswirkungen auf die Bundespartei hat.
Denn Parteichefin
Die beiden BSW-Landeschefs Wolf und Schütz haben entscheidend dabei geholfen, die Partei in Thüringen aufzubauen – und ihr bei der Landtagswahl im September sogar die Regierungsbeteiligung verschafft. Deutschlands erste Brombeerkoalition (CDU, BSW und SPD). Der Gewinn von Katja Wolf für die junge Partei wurde zunächst als Coup angesehen. Als ehemalige Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach und bekannte Persönlichkeit der Linkspartei (vorher PDS) hat sie Promi-Status im neu gegründeten BSW.
Doch Parteigründerin Wagenknecht passte die Regierungsbeteiligung im mitteldeutschen Freistaat nicht. Sie kritisierte die Ergebnisse des Koalitionsvertrags wiederholt. Nach der Niederlage des BSW bei der Bundestagswahl im Februar machte Wagenknecht die Thüringer dafür verantwortlich. Und das, obwohl die Regierungsbeteiligung einer der größten Erfolge der noch jungen Partei sein dürfte.
Thüringer BSW-Chef Schütz verteidigt Verzicht auf Kandidatur
Im Gegensatz zu Wagenknecht, die mit der Wahlniederlage auch ihren Platz im Bundestag räumen musste, haben Katja Wolf und Steffen Schütz Einfluss in Thüringen. Wolf ist Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, Schütz Infrastrukturminister im Kabinett Voigt (CDU). Zu viele Verantwortlichkeiten neben der Landesverbandsführung. Das zumindest sagen Wagenknecht-Unterstützer.
Schütz verteidigt im Gespräch mit unserer Redaktion seinen Schritt, künftig auf die Parteiführung in Thüringen zu verzichten: "Die Kritik, Katja Wolf und ich hätten zu viele Ämter inne, hat nichts mit meinem Verzicht auf eine erneute Kandidatur zu tun." Er finde es gut, wenn die Führung auch die Perspektive der Basis und damit außerhalb der Regierung abbilde. Mit seiner Entscheidung wollte Schütz einen Impuls setzen, um zu zeigen: Es geht mehr als nur um Posten.
BSW: Machtkampf könnte Partei spalten
Im BSW haben sich inzwischen zwei Lager gebildet: die Anhängerschaft Wagenknechts und die der thüringischen Parteispitze. Schütz betonte auf Nachfrage unserer Redaktion, dass alle Parteimitglieder Anhänger von Sahra Wagenknecht seien. "Ginge es bei dieser Zuspitzung um zwei Männer, spräche man vermutlich über zwei 'Alphawölfe'. Hier geht es aber nicht um Alphawölfinnen, sondern darum, warum uns die Wähler ihre Stimme geben sollten."
Es zeichnet sich im BSW allerdings schon länger Unzufriedenheit über die Thüringer ab. Sie gipfelt nun auf dem BSW-Landesparteitag in Gera am Wochenende. Wolf wird von drei Wagenknecht-Vertrauten herausgefordert: Anke Wirsing, Matthias Bickel und
Die Gegenkandidaten werden von der Parteiführung unterstützt. BSW-Geschäftsführer Christian Leye sagte beim MDR Thüringen, dass das Bundesland neue Impulse brauche und sprach sich für das Team um Wirsing aus. Das geht den amtierenden BSW-Landeschefs zu weit.
Der Nachrichtenagentur dpa sagte Wolf: "Das, was mich persönlich ein kleines bisschen irritiert hat, war, dass der Generalsekretär der Partei eine sehr deutliche Positionierung vornimmt, bevor nur ansatzweise alle Kandidaturen klar sind." Das empfinde sie weder politisch noch demokratisch angemessen.
Andere BSW-Landeschefs und Wagenknecht schalten sich ein
Gegenwind erhielten Schütz und Wolf auch von den BSW-Chefs aus Sachsen und Sachsen-Anhalt: Um die Interessen der Bürger adäquat vertreten zu können, benötige es einen distanzierten und kritischen Austausch zwischen Parlaments- und Parteiarbeit, sagte die sächsische BSW-Chefin Sabine Zimmermann der dpa. "Entsprechend hätte es bei uns auf Dauer auch keine Doppelfunktionen von Partei- und Ministerämtern gegeben, wären wir in eine Regierung eingetreten."
John Lucas Dittrich, Landesvorsitzender des BSW in Sachsen-Anhalt, sagte, es sei sinnvoll, Parteiämter und öffentliche Ämter klar zu trennen. "Das stärkt die notwendige Kontrolle und ermöglicht es, die Positionen des BSW gegenüber einer Landesregierung klar und unabhängig zu vertreten."
Das sieht auch Wagenknecht so. Dem "Stern" sagte sie: "Ich war davon ausgegangen, dass es in Thüringen längst Konsens war, Partei- und Regierungsamt zu trennen, was ja auch sinnvoll ist."
Der MDR zitierte Wolf zu dem Streitpunkt mit den Worten: "Ja, die Forderung, das zu trennen, gibt es. Aber das hat Vor- und Nachteile." In einer Partei, "die noch so unstrukturiert ist wie unsere", sei es das falsche Signal, meint Wolf. So sei es als Landesvorsitzende leichter, im Koalitionsausschuss mit CDU und SPD zu verhandeln, wenn sie qua Ministeramt auch im Thema stünden. Das sagte sie, bevor Schütz seinen Rückzug bekanntgegeben hatte.
In Brandenburg hat Finanzminister Robert Crumbach kürzlich seinen Rücktritt als BSW-Landeschef angekündigt. Als Grund nannte er laut dpa die kritisierte Doppelbelastung.
Zum Hintergrund: Jede Partei trifft über eine solche Trennung von Ministerämtern und Parteivorsitz eine eigene Entscheidung. Laut den Statuten der Grünen beispielsweise ist es ebenfalls ausgeschlossen, Parteivorsitzender und Minister zu sein, weshalb Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck und Noch-Außenministerin Annalena Baerbock als Parteichefs zurückgetreten sind.
In der Bundessatzung des BSW findet sich hierzu keine Regelung. Es ist derzeit also möglich, mehrere Ämter gleichzeitig innezuhaben.
Thüringen: Uneinigkeit im BSW könnte Fortbestand der Landesregierung bedrohen
Brisant allerdings: Sollten Schütz und Wolf von Wirsing, Bickel oder Henning abgelöst werden, könnte sich die Stoßrichtung des BSW in der Landesregierung entscheidend ändern. Wie die Koalitionspartner darauf reagieren, ist unklar.
Letztlich könnte sogar der Fortbestand der Regierung gefährdet werden. Etwa, wenn das Wagenknecht-Lager Anträge auf einen Austritt des BSW aus der thüringischen Regierung einbringen würde. Das würde ein jähes Ende für die Brombeerkoalition bedeuten. Ob es wirklich so weit kommt, wird sich zeigen.
Die Möglichkeit aber besteht. Schütz sagte dazu: "Ich mache mir Sorgen, dass die Landesregierung durch einen Führungswechsel in Thüringen ins Wanken geraten könnte. Zwar beteuert jeder gerade, dass das im Moment beziehungsweise jetzt und sofort nicht das Ziel sei – die Betonung liegt allerdings auf 'im Moment' und 'jetzt und sofort'."
Zwist zwischen Wolf und Wagenknecht belastet BSW
Es wirkt, als nehme Sahra Wagenknecht das mit ihrer Positionierung gegen Wolf wissentlich in Kauf. Dadurch könnte sogar der Eindruck entstehen, Wagenknecht wolle die derzeit einflussreiche Wolf loswerden, da sie einen anderen Kurs in der Partei verfolgt.
Denn in der Vergangenheit war Wagenknecht nicht gerade zimperlich, wenn es um das Hochhalten ihrer politischen Interessen ging. Schließlich führte der interne Streit innerhalb der Linken erst zur Neugründung ihrer Partei BSW.
Auf dem Parteitag in Gera geht es also nicht nur um die Führungsfrage in Thüringen, sondern auch darum, wohin die Partei in der kommenden Zeit steuert. Das entscheidet sich maßgeblich daran, wer das BSW in einem der mächtigsten Landesverbände prägt: Wolf oder Wagenknecht.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Steffen Schütz
- dpa
- mdr.de: "Machtkampf im Thüringer BSW: Wagenknecht-Lager unterstützt Gegenkandidaten für Parteivorsitz"
- stern.de: "Jetzt greift Wagenknecht in den BSW-Machtkampf ein"
- Bundessatzung BSW