Dem Bundesinnenministerium gelingt ein Schlag gegen die "Reichsbürger"-Szene: Alexander Dobrindt hat den Verein "Königreich Deutschland" verboten.

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Wenige Tage nach seinem Amtsantritt hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die aktuell größte Gruppierung sogenannter "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" verboten. Der Verein nennt sich "Königreich Deutschland" und soll bundesweit etwa 6.000 Anhänger haben. "Zweck und Tätigkeit des Vereins laufen den Strafgesetzen zuwider und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung", erklärte das Bundesinnenministerium am Montag. Dobrindt sprach von einem "bedeutenden Schlag gegen die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter". "Mit dem sogenannten 'Königreich Deutschland' wurde die größte Vereinigung dieser seit Jahren wachsenden Szene verboten", erklärte der Minister.

"Die Mitglieder dieser Vereinigung haben einen 'Gegenstaat' in unserem Land geschaffen und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut", fügte er hinzu. "So untergraben sie beharrlich die Rechtsordnung und das Gewaltmonopol der Bundesrepublik. Dabei untermauern sie ihren vermeintlichen Herrschaftsanspruch durch antisemitische Verschwörungserzählungen."

Mutmaßlicher Anführer von "Reichsbürger"-Gruppe festgenommen

Die Bundesanwaltschaft ließ vier mutmaßliche Rädelsführer der verbotenen "Reichsbürger"-Gruppe "Königreich Deutschland" festnehmen, darunter Gründer Peter Fitzek. Zwei der Festnahmen erfolgten laut einer Sprecherin im Landkreis Mittelsachsen, je eine weitere in den Landkreisen Oder-Spree in Brandenburg und Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. Auch hätten Einsatzkräfte Räumlichkeiten durchsucht. Zudem habe es bei einem Verdächtigen im Kanton Solothurn in der Schweiz Durchsuchungen gegeben.

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Eine Gruppe von "Reichsbürgern" plante laut Bundesanwaltschaft den gewaltsamen Umsturz. Nun stehen unter anderem die mutmaßlichen Rädelsführer in Frankfurt vor Gericht.

Die vier festgenommenen Deutschen seien 37, 38, 46 und 59 Jahre alt. Einer der Männer befindet sich bereits in Untersuchungshaft, wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte. Die drei weiteren Festgenommenen - darunter Fitzek - sollten im weiteren Verlauf des Tages sowie am Mittwoch in Karlsruhe vorgeführt werden.

Die Ermittlungen laufen den Angaben zufolge wegen einer kriminellen Vereinigung. Per se ist die Bundesanwaltschaft in solchen Fällen nicht automatisch zuständig. Mit Blick auf die mutmaßlichen Rädelsführer habe die oberste Anklagebehörde in Deutschland die Ermittlungen aber wegen der besonderen Bedeutung an sich gezogen, erklärte die Sprecherin.

Fitzek werden demzufolge auch unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte vorgeworfen. Ein anderer der Beschuldigten soll ihm bei den Einlagengeschäften geholfen haben.

Hunderte Einsatzkräfte durchsuchen "Reichsbürger"-Liegenschaften und -Wohnungen

Hunderte Einsatzkräfte durchsuchten seit dem frühen Morgen in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Liegenschaften des Vereins und Wohnungen führender Mitglieder. Ziel sei es "Vereinsvermögen zu beschlagnahmen und weitere Beweismittel für die verfassungsfeindlichen Ziele und Aktivitäten des Vereins sicherzustellen", teilte das Innenministerium weiter mit.

Von dem Vereinsverbot seien auch zahlreiche Teilorganisationen betroffen, hieß es weiter. Es sei das Ergebnis einer engen Kooperation mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, weiteren Bundesbehörden und den Ländern. Im Vorfeld führten alle beteiligten Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden umfangreiche Ermittlungen und gemeinsame Auswertungen, wie das Innenministerium weiter mitteilte.

"Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Viele von ihnen behaupten, das historische Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sogenannte "Reichsbürger" erkennen demokratische und rechtsstaatliche Strukturen wie Parlament, Gesetze oder Gerichte nicht an. Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder wollen sie nicht zahlen. Die Szene besteht aus vielen, meist kleineren Gruppierungen. Manche "Reichsbürger" sehen sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches.

"Königreich Deutschland" existiert seit 2012

Das "Königreich Deutschland" wurde nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 2012 in Wittenberg von Peter Fitzek ausgerufen und gilt derzeit als mitgliederstärkste Vereinigung aus dem Spektrum der sogenannten "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". Der Verfassungsschutz rechnete der Szene insgesamt im Jahr 2023 rund 25.000 Anhänger zu.

Das selbsternannte Königreich werbe "für den Systemausstieg aus der Bundesrepublik Deutschland und den Anschluss" von Gebieten an seinen eigenen angeblichen Machtbereich, erklärte die Bundesanwaltschaft. Sie habe "pseudostaatliche Strukturen und Institutionen errichtet", etwa eine eigene Währung ausgegeben und ein Meldeamt mit fiktiven Ausweispapieren betrieben.

Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Monaten vor allem die "Reichsbürger"-Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben soll. Am Oberlandesgericht Frankfurt wird gegen die Gruppe verhandelt. Parallel dazu laufen Verfahren in München und Stuttgart.

Es geht auch um Geld

"Wesensprägend für das 'Königreich Deutschland' ist eine dezidierte profitorientierte Ausrichtung", teilt das Bundesinnenministerium mit. Über Teilorganisationen würden seit Jahren unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte betrieben und so die Vereinigung finanziert. Auch Firmen wurden angeworben. Diesen sei in Aussicht gestellt worden, umsatzsteuer- und sozialabgabenfrei wirtschaften zu können.

Peter Fitzek, gebürtig aus Halle in Sachsen-Anhalt, hatte sich selbst zum Staatsoberhaupt erklärt. Er stand bereits mehrfach vor Gericht und wurde verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, ohne Führerschein gefahren zu sein oder illegale Bankgeschäfte getätigt zu haben. Im März wurde ein Urteil des Amtsgerichts Wittenberg rechtskräftig, das Fitzek wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt hatte.

Laut Generalbundesanwalt bestimmte Fitzek als "Oberster Souverän" die ideologische Ausrichtung der Gruppierung und erließ eigene "Gesetze". Er gründete auch Fantasieinstitutionen mit Namen wie "Königliche Reichsbank" und "Deutsche Heilfürsorge". Zwei weitere Festgenommene bildeten demnach als seine Stellvertreter die oberste Leitungsebene. Der vierte Mann sei für die Finanzen zuständig gewesen.

Mit dem Verbot geht laut Bundesinnenministerium die Beschlagnahmung des Vermögens sowie die Sperrung der Online-Plattformen des Vereins einher.

Gründung von Ersatzvereinen illegal

"Wir haben eine wehrhafte Demokratie", erklärte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag zu dem Vereinsverbot. Der Staat gehe entschlossen gegen Reichsbürger vor, die es sich "auf Kosten der Allgemeinheit" in einer "bizarren Parallelwelt bequem" machten. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) erklärte, der selbsternannte "König von Deutschland" sei von Behörden nun "schachmatt" gesetzt worden.

Im Fall des "Königreichs Deutschland" geht es laut Bundesinnenministerium unter anderem auch um Straftaten wie Volksverhetzung, Urkundenfälschungen durch Ausgabe falscher Ausweisdokumente und andere reichsbürgertypische "Ungehorsamsdelikte". Die Innenministerien von Bund und Ländern können Vereine verbieten, wenn diese kriminellen Zwecken dienen sowie gegen die Verfassung und den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen. Jede weitere Betätigung ist dann verboten. Die Gründung von Ersatzvereinen ist illegal. (AFP/dpa/bearbeitet von tas/skr)

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