Es war seine erste große Rede als Bundeskanzler vor versammeltem Haus. Friedrich Merz gab am Mittwoch seine erste Regierungserklärung, aber auch große Versprechen ab.
Bundeskanzler
Konkret kündigte der CDU-Chef mehr Abschiebungen von Ausländern ohne Bleiberecht an. Er will die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas machen und versprach "Wohlstand für alle". Bis zum Sommer sollen erste Ergebnisse des angestrebten Politikwechsels der neuen Regierung spürbar sein.
Für die einen ist Merz zu links, für die anderen zu rechts
Aus der Opposition kam dagegen Kritik am Start von Schwarz-Rot. "Schwäche und Instabilität sind die Signale, die von Ihrem historischen Fehlstart ausgehen, Herr Merz. Sie sind der Kanzler der zweiten Wahl. Und diesen Makel werden Sie nicht mehr los", sagte AfD-Chefin
Beim Thema Migrationspolitik nutzte sie scharfe Worte. Zurückweisungen an der Grenze seien nur der erste Schritt. "Das Morden, Messern und Vergewaltigen geht weiter, Tag für Tag, Woche für Woche". Weidel kritisierte, "diese Tatsachen anzusprechen" sei in den Augen des Verfassungschutzes angeblich verfassungsfeindlich. "Ich nenne es Fakten benennen."
Mit Kritik sparte auch nicht die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen,
Für die dritte Oppositionsfraktion sprach der kommissarische Fraktionsvorsitzende der Linken, Sören Pellmann. Er warf der Koalition Ignoranz gegenüber Ostdeutschland vor. Ostdeutschland bleibe "politisch ignoriert, wirtschaftlich unterversorgt und gesellschaftlich marginalisiert", sagte Pellmann im Bundestag. Im Koalitionsvertrag gebe es kein eigenes Kapitel zum Osten. "Das ist kein Versehen, das ist politische Absicht." Pellmann wiederholte die Forderung nach einem Transformationsfonds, nach der bevorzugten Ansiedlung von Bundesbehörden und Unternehmen, nach Angleichung von Löhnen und Renten und einer starken Stimme im Kabinett. "Wer Ostdeutschland weiter übergeht, riskiert den gesellschaftlichen Zusammenhalt in ganz Deutschland", sagte Pellmann.
Holpriger Start für Merz
Merz war am 6. Mai erst im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt worden. Gut eine Woche nach dem verstolperten Start stellte er sein Programm für die Regierungsarbeit mit der SPD vor. Dabei hielt er sich weitgehend an den 144-seitigen Koalitionsvertrag, den er mit den Sozialdemokraten ausgehandelt hat.
Seine Regierung sei sich der großen innenpolitischen und internationalen Herausforderungen bewusst – "nicht zuletzt auch in Bezug auf die öffentlichen Finanzen", sagte der Kanzler. Deutschland sei aber stark genug, um die anstehenden Herausforderungen zu bestehen.
Merz nannte drei prioritäre Ziele: Wohlstand, Sicherheit und Zusammenhalt. Er reaktivierte dabei ein Versprechen aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik: "Wir wollen regieren, um das Versprechen vom 'Wohlstand für alle' zu erneuern", sagte er gleich zu Beginn seiner Rede. Dieses Versprechen stammt von Ludwig Erhard, der in der Nachkriegszeit Wirtschaftsminister und Kanzler war, für das damalige "Wirtschaftswunder" stand und ein Buch mit dem Titel "Wohlstand für alle" geschrieben hat.
Merz spricht von Entlastung für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft versprach Merz bessere Rahmenbedingungen: mit Steuererleichterungen, Investitionen in die Infrastruktur und weniger Bürokratie. "Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung schaut", sagte er. An den deutschen, europäischen und internationalen Klimazielen halte man fest. Man setze dabei aber vor allem auf die Bepreisung des Treibhausgases CO₂. "Die Einnahmen daraus werden wir nicht im Staatshaushalt vereinnahmen, sondern gezielt an die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürgern zurückgeben", sagte Merz zu.
Merz betonte zwar, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, kündigte aber gleichzeitig mehr Abschiebungen an. "Wir haben zu viel ungesteuerte Einwanderung zugelassen und zu viel gering qualifizierte Migration in unseren Arbeitsmarkt und vor allem in unsere sozialen Sicherungssysteme ermöglicht", sagte er im Rückblick auf die Jahre seit 2015. Mit intensivierten Grenzkontrollen und mehr Zurückweisungen werde man nun für mehr Ordnung in der Migrationspolitik sorgen.
Der Kanzler sprach in seiner Rede auch die Erwartungen der Bündnispartner an Deutschland an. "Dieses Europa blickt heute auf uns, auf Deutschland", sagte er. Der Ukraine versprach Merz eine weiterhin kraftvolle Unterstützung. "Dabei ist klar: Wir sind nicht Kriegspartei und werden dies auch nicht werden", versicherte der CDU-Chef. Der Westen dürfe sich dabei nicht spalten lassen. "Deshalb werde ich weiter alle Anstrengungen unternehmen, um auch weiterhin größtmögliche Einigkeit zwischen den europäischen und den amerikanischen Partnern herzustellen." Die Sicherheit Israels zählte Merz wie die Vorgängerregierungen zur deutschen Staatsräson.
Bundeswehr soll stärkste Armee Europas werden
Die Bundeswehr will Merz zur stärksten konventionellen Armee Europas machen. Das werde von den Partnern erwartet und sei dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Land Europas auch angemessen. "Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen", gab der CDU-Politiker als Devise aus.
Bei den neuen Kreditspielräumen der Bundesregierung mahnte Merz zur Vorsicht. "Wir müssen mit diesen Möglichkeiten äußerst behutsam umgehen, denn diese Schulden lösen Zinszahlungen aus, und sie müssen auch eines Tages wieder zurückgezahlt werden", sagte er. Kredite ließen sich daher nur rechtfertigen, "wenn wir mit diesem Geld dauerhaft und nachhaltig den Wert unserer Infrastruktur steigern und das Leistungsvermögen unseres Landes insgesamt verbessern". Die schwarz-rote Bundesregierung will in dieser Legislaturperiode bis zu 150 Milliarden Euro aus dem schuldenfinanzierten Infrastrukturtopf nutzen. Dieser soll insgesamt mit 500 Milliarden gefüllt werden, ist aber auf zwölf Jahre angelegt.
Merz erteilte gesetzlichen Vorgaben für die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro eine Absage. Die Koalition habe vereinbart, an der unabhängigen Mindestlohnkommission festzuhalten, sagte der CDU-Politiker in seiner Regierungserklärung. Und man halte einen Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 angesichts der Tarifentwicklung für erreichbar und wünschbar. "Aber wir werden ihn nicht gesetzlich festschreiben", betonte Merz.
Damit hielt sich Merz an die Formulierung im Koalitionsvertrag, widersprach aber einem Vorstoß der SPD. Der Sozialdemokrat Matthias Miersch hatte im April darauf hingewiesen, dass 15 Euro Mindestlohn notfalls auch per Gesetz erreichbar seien. (dpa/bearbeitet von the)