Normal behandeln? Sabotieren? Verbieten? Union, SPD, Grüne und Linke ringen um den richtigen Umgang mit der AfD im Bundestag. Aktuell manifestiert sich das unter anderem in einem Foto von zusammengepferchten Abgeordneten.

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Probesitzen im Fraktionssaal. Eigentlich nicht nötig, doch die AfD-Abgeordneten haben sich am Dienstagabend ganz bewusst dazu versammelt. Sie nehmen ihre Plätze im ehemaligen Saal der FDP-Fraktion ein – dicht gedrängt. Die unmissverständliche Botschaft der Aktion, von der es – natürlich – Fotos gibt: zu eng!

Durch die Bundestagswahl ist die AfD-Fraktion von 77 auf 151 Abgeordnete angewachsen. Der FDP hatte zuletzt 90 Abgeordnete. Die SPD-Fraktion zählt 120 Köpfe – will ihren deutlich größeren Sitzungssaal direkt neben der CDU/CSU-Fraktion aber nicht hergeben. Sie argumentiert, dass sie als Regierungsfraktion bei ihren Sitzungen auch Platz für Besuch aus Ministerien brauche. "Auch im Vergleich der Zahlen ist es so, dass wir Regierungspartei, Regierungsfraktion sind, deswegen mit den zuständigen Regierungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern auch auf die Größe kommen, die die AfD hat und darüber hinausgehen", sagte Fraktionschef Matthias Miersch.

Ein Schelm, wer denkt, dass es bei der Frage, ob man den nach dem Exil-SPD-Vorsitzenden zur Zeit der Nationalsozilisten benannten Otto-Wels-Saal der AfD überlässt, auch ums Prinzip geht. Anders gesagt: Einmal mehr um die Frage, wie umgehen mit der erstarkten Rechtsaußenpartei im Parlament?

AfD-Abgeordnete werden wohl zusammenrücken müssen

Weil keine Einigung in Sicht ist, dürfte am Donnerstag der Ältestenrat entscheiden, ein Gremium erfahrener Abgeordneter, das sich um Organisatorisches und Streitfragen kümmert. Die Sitze dort sind nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen verteilt. Die SPD könnte also am Donnerstag gemeinsam mit anderen Parteien in der Raumfrage gegen die AfD entscheiden.

Die AfD ist darauf gefasst, dass die Abstimmung gegen sie ausgehen wird, will sich damit aber nicht zufriedengeben. "Das ist einfach nicht zumutbar, ich sag' das ganz offen für uns alle und wir werden auch diesen Raum so nicht akzeptieren", sagte Parteichef Tino Chrupalla am Dienstag unter dem Beifall der Abgeordneten. Man werde alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen. Genannt wurden mögliche Verstöße gegen Brand- oder Arbeitsschutzvorschriften mit Blick auf den Abstand zwischen Tischreihen und Stühlen (was die Bundestagsverwaltung nach Aussage Mierschs jedoch bereits geprüft und abgesegnet hat).

Ein weiterer Vorgang, an dem die Frage verhandelt, wird, ob die AfD wie jede andere Partei zu nehmen ist oder nicht, steht noch am Mittwoch ins Haus: Auf den Tagesordnungen der 24 Fachausschüsse, in denen die wesentliche Gesetzgebungsarbeit stattfindet, stehen die Wahlen zu den Vorsitzenden. Die Fraktion der Union hat in acht Ausschüssen dafür das Vorschlagsrecht, die AfD für sechs, die SPD für fünf, die Grünen für drei und die Linke für zwei.

Kein Recht auf Ausschuss-Vorsitz

Die Kandidaten von der AfD dürften aber an der Wahl scheitern: Die anderen Fraktionen haben – wie schon in der vergangenen Legislaturperiode – ihre Unterstützung abgelehnt. Das betrifft die Ausschüsse für Haushalt, Inneres, Arbeit und Soziales, Finanzen und Recht sowie den Petitionsausschuss. De facto werden diese dann wohl ab kommender Sitzungswoche von den stellvertretenden Ausschussvorsitzenden geleitet, die ebenfalls noch zu wählen sind. Der AfD stehen die Posten zwar zu, doch ein Recht darauf hat sie nicht. Schließlich kann kein Abgeordneter zur Wahl eines AfD-Abgeordneten gezwungen werden.

Hendrik Hoppenstedt kritisierte diesen Weg: Zwar stelle er sich "in den Dienst" der gemeinsamen Entscheidung mit der SPD, gegen die Kandidaten der AfD zu stimmen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch. "Jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass wir damit das AfD-Problem nicht an der Wurzel packen."

Die AfD nutze jede Gelegenheit, um sich als Opfer hinzustellen, warnte der CDU-Politiker. "Diese Möglichkeit möchte ich ihnen gern nehmen." Aus seiner Sicht hilft "moralische Überheblichkeit im Umgang mit der AfD" nicht weiter. "Rückblickend kann man sagen: Was wir gegen die AfD gemacht haben, hat nicht geholfen. Die Zustimmungswerte haben sich sogar verdoppelt."

Mögliches AfD-Verbot: Frei mahnt zu "äußerster Vorsicht"

Parallel dazu geht die Diskussion um ein mögliches AfD-Verbot weiter. Grüne und Linke drängen verstärkt auf ein Verbotsverfahren, seit der Verfassungsschutz die Partei Anfang Mai zur "gesichert rechtsextremistischen Bestrebung" hochgestuft hat (Die AfD hat gegen die Hochstufung Rechtsmittel eingelegt). Auch in der SPD mehren sich die befürwortenden Stimmen. Die Union hingegen ist skeptisch. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) mahnte am Dienstag bei "Markus Lanz" zu "äußerster Vorsicht". Er warne vor der Fehlvorstellung, dass die Einordnung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch in irgendeiner Weise reiche, um am Ende zu einem Parteiverbot vor dem Bundesverfassungsgericht zu kommen.

Er persönlich glaube nicht, dass man eine Partei wie die AfD mit juristischen Mitteln bekämpfen könne, betonte Frei. Das gehe letztlich nur politisch. Die AfD sei bei der letzten Bundestagswahl von zehn Millionen Menschen gewählt worden. "Die wären durch ein Parteiverbot ja nicht plötzlich weg." Am effektivsten ist nach den Worten Freis, "dass wir die offensichtlichen Probleme und Herausforderungen in Deutschland lösen". (mcf, mit dpa und afp)