Ein kräftiges Plus: Die Diäten der Bundestagsabgeordneten sollen um 5,4 Prozent steigen. Das entspricht monatlich 606 Euro mehr. Ist das gerecht? Linke und AfD sagen nein – und kritisieren das System.
Mit aktuell 11.227,20 Euro monatlich liegen Bundestagsabgeordnete in der Einkommensskala weit oben. Die sogenannten Diäten werden jährlich angepasst – seit einigen Jahren durch einen Automatismus. Denn: Beschlüsse zu Diätenerhöhungen kommen meist nicht gut an. Doch auch dieser Mechanismus steht in der Kritik. An diesem Donnerstag (5. Juni) wird erneut darüber abgestimmt – und gestritten.
Worum es konkret geht: Die Bundestagsabgeordneten sollen 5,4 Prozent mehr Geld bekommen. Das entspricht monatlich 606 Euro. Damit folgen die Diäten prozentual der Entwicklung der Nominallöhne in Deutschland.
Linken-Chefin Schwerdtner kritisiert: "Kontakt zur Realität verloren"
Linken-Chefin
Statt für "echte" Entlastung zu sorgen, gönnten sich Politiker selbst mehr Geld. "Wer so handelt, hat den Kontakt zur Realität verloren." Gerade der Automatismus mit der jährlichen Diätenanpassung ruft bei Schwertner Kritik hervor. "Ja, Abgeordnete sollen ordentlich bezahlt werden – aber bitte nicht automatisch, ohne Rücksicht auf die Lage im Land! Wenn wir von den Leuten Solidarität verlangen, müssen wir als Politiker*innen vorangehen."
Die Erhöhung zeige, dass es "für die da oben" weiter wie geschmiert laufe, "während die Mehrheit den Gürtel enger schnallen soll". Die Linkenchefin fordert daher, den Automatismus zumindest so lange zu stoppen, bis der Mindestlohn auf 15 Euro angestiegen ist.
AfD will eigenen Antrag ins Plenum einbringen
Auch die AfD kritisiert das finanzielle Plus für die Abgeordneten. "Es kann nicht sein, dass die Menschen in normalen Beschäftigungsverhältnissen um ihre Lohnerhöhungen kämpfen müssen, während Abgeordnete ihre Erhöhung einfach durchgewunken bekommen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Stephan Brandner, unserer Redaktion. "Selbstverständlich lehnen wir die automatische Diätenerhöhung ab." Die AfD-Fraktion will einen entsprechenden Antrag dazu ins Plenum einbringen.
Doch klar ist auch: Eine Mehrheit wird es dafür nicht geben.
Union und SPD verteidigen Diäten-System
Im Regierungslager, bei Union und SPD, heißt es: keine Notwendigkeit für Veränderungen. In einem Pressegespräch sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Steffen Bilger: "Es geht um eine Erhöhung von 5,4 Prozent. Natürlich eine erhebliche Erhöhung, aber wir halten den Mechanismus auf jeden Fall für richtig." Immerhin habe diese Erhöhung auch mal dazu geführt, dass die Aufwandsentschädigung für die Abgeordneten reduziert wurden. Während der Corona-Krise etwa sanken die Löhne. Und die Diäten wurden im Sommer 2021 um 70 Euro monatlich gekürzt.
Auch die SPD will am bestehenden System festhalten. "Manchmal hat man das Gefühl, am besten sollte die Arbeit ehrenamtlich stattfinden", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Dirk Wiese, am Mittwoch vor Journalisten. Egal, woran sich die Abgeordneten orientieren: Man bekomme auf den Deckel. Es sei aber vertretbar und transparent, dass die Diäten der Lohnentwicklung in Deutschland folgen, sagte Wiese.
Und die Grünen? Von ihnen ist in der Debatte bislang wenig zu hören. Doch so viel steht fest: Auch sie verteidigen den Mechanismus. Im März sagte die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, der "Frankfurter Rundschau": "Wir halten es für richtig, dass sich die Entwicklung der Diäten an transparenten und berechenbaren Kriterien orientiert und die Abgeordneten nicht einfach selbst darüber entscheiden."
Hohe Diäten sollen Korruption vorbeugen
"Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung", heißt es im Grundgesetz. Die Details dazu sind im Abgeordnetengesetz geregelt. Die Diäten orientieren sich demnach an den Bezügen von Richtern an obersten Bundesgerichten. Nach dem sogenannten Diäten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 muss die Entschädigung "der Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und Belastung und des diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Ranges gerecht werden".
Heikel war das Thema schon immer: Sind die Diäten zu niedrig – so eine Befürchtung – könnten Abgeordnete anfälliger für Bestechungsversuche sein, sind sie zu hoch, gibt es Kritik. Zu den bislang zu versteuernden 11.227,20 Euro monatlich kommt eine steuerfreie monatliche Kostenpauschale von aktuell 5.349,58 Euro hinzu. Damit sollen Kosten zur Ausübung des Mandats, wie die Miete des Wahlkreisbüros, Material, Taxifahrten, Hotelkosten oder die Unterkunft in Berlin abgedeckt sein.
Ausgaben fürs Büro in Berlin (Material oder Handys auch für die Mitarbeiter) erstattet der Bundestag darüber hinaus bis maximal 12.000 Euro pro Jahr. Abgeordnete können kostenlos mit der Bahn fahren und bekommen Kosten für Inlandsflüge ersetzt, wenn sie im Zusammenhang mit der Ausübung des Mandates stehen.
Verwendete Quellen
- Anfragen bei Ines Schwerdtner und Stephan Brandner
- Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa)
- Besuch eines Pressegesprächs mit Steffen Bilger
- fr.de: "'Fette Gehaltserhöhung' – Parlamentarier vor nächster Diätenerhöhung"