Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat vorgeschlagen, dass auch Beamte und Selbstständige künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollen. Der CDU ist das sauer aufgestoßen. Doch was würde der Vorschlag, setze man ihn in die Tat um, für Auswirkungen mit sich bringen?
Seit Jahrzehnten ist das Rentensystem Gegenstand zahlreicher Debatten. Es muss reformiert werden, fordert nicht nur die SPD als Arbeiterpartei. Das gesetzliche Rentenniveau liegt derzeit bei 48 Prozent, es zu halten hat sich zuletzt die Ampelregierung auf die Fahnen geschrieben. Auch die neue GroKo aus CDU, CSU und SPD versichert in ihrem Koalitionsvertrag: "Die Rente bleibt über die Legislatur hinaus stabil."
Rund 39,9 Millionen Menschen haben 2023 laut Rentenatlas 2024 in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Die neue Arbeitsministerin
Bislang sind Beamte durch die Beamtenversorgung abgesichert, Selbstständige können sich freiwillig in der gesetzlichen Rente versichern oder eine private Altersvorsorge wählen. "Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen", sagte Bas der Funke Mediengruppe. Der Vorschlag stieß auf viel Kritik, vor allem seitens der Union. Doch was würde er verändern?
Wie ist das Rentensystem derzeit aufgestellt?
In der gesetzlichen Rente gibt es drei Gruppen, die Geld einzahlen und später beziehen:
- Angestellte bei Unternehmen: Sie zahlen 18,6 Prozent des Bruttolohns in die Rentenversicherung ein – je zur Hälfte vom Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden finanziert.
- Selbstständige: Sie sind nicht pflichtversichert, können sich aber freiwillig am gesetzlichen System beteiligen und kassieren dann entsprechende Leistungen.
- Beamte: Sie stehen außen vor, weil sie dem Staat verpflichtet sind und dementsprechend im Ruhestand Pensionen, bemessen an Dienstjahren, erhalten.
Welchen Unterschied machen Beamte für die gesetzliche Rentenversicherung?
Laut dem Statistischen Bundesamt gibt es derzeit rund 1,9 Millionen Beamte, Richter und Soldaten im öffentlichen Dienst. 201.410 Beamte und Richter sind davon laut dem Statistischem Bundesamt (Stand 30.06.2023) beim Bund beschäftigt, sowie 169.090 Soldaten. In Bas' Vorschlag werden Richter und Soldaten jedoch nicht dezidiert erwähnt.
Beamte zahlen weder Sozialversicherungsbeiträge noch in die gesetzliche Kranken- oder Rentenversicherung. Heißt per se schon mal: Ihr Nettogehalt ist wesentlich höher als bei Angestellten eines Unternehmens. Damit entgehen der Rentenversicherung zahlreiche Einnahmen – sie müssen aber auch keine Ausgaben leisten, wenn die Beamten in den Ruhestand gehen. Die werden in der Regel aus den Haushalten des Bundes und der Länder bezahlt, wofür seit 1999 eine Versorgungsrücklage aufgebaut wird.
Die Beamtenversorgung kostet laut Statistischem Bundesamt rund 63,4 Milliarden Euro im Jahr. Beamte müssen von ihrer Pension allerdings eine private Kranken- und Pflegeversicherung abschließen, deren Beträge im Alter in der Regel immer weiter steigen.
Wenn auch Beamte einzahlen: Würde die Rente steigen?
Jein. Rentenexperte Christian Hagist von der Otto Biesheim School of Management erklärt der "Bild": Die Rente könnte, wenn überhaupt, nur kurzfristig steigen. Denn Beamte, Abgeordnete und Selbstständige hätten durchschnittlich eine höhere Lebenserwartung als Angestellte, was das Rentensystem wiederum auf Dauer zusätzlich belasten würde. Er sagt: "Durch die zusätzlichen Einnahmen würde zwar der Druck auf die Rentenversicherung kurzfristig geringer, dafür würden die Beitragssätze für die zukünftigen Generationen aber umso stärker steigen."
Allerdings kommt es bei der Beantwortung der Frage immer darauf an, wie das System umgebaut würde. Denn würden alle Beamten von heute auf morgen in die gesetzliche Rentenversicherung umziehen, brächte das höhere Einnahmen mit sich, als so nur mit neuen Beamten zu verfahren und die bisherigen Beamten im Pensionssystem zu behalten.
Welche Vorteile brächte die Einbeziehung der Beamten und Selbstständigen?
Der "Focus" hat das mithilfe einer vereinfachten Rechnung durchgespielt, um das Potenzial der Maßnahme deutlich zu machen: Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamt für 2018 (der neuesten, die derzeit vorliegt), beliefen sich in dem Jahr die Personalausgaben von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen auf 292,451 Milliarden Euro. Allerdings werden davon auch Angestellte bezahlt. Rund 34 Prozent sind dabei Beamte.
Trotz bestehender Gehaltsunterschiede zwischen den Gruppen: Angenommen, Beamte würden damit auch 34 Prozent der Ausgaben bekommen, wären das 98,2 Milliarden Euro im Jahr. Würden darauf 18,6 Prozent Rentenversicherungsbeitrag fällig (wie derzeit bei normalen Angestellten), wären das 18,3 Milliarden Euro pro Jahr, die zusätzlich an die gesetzliche Rentenversicherung gingen.
Aber: Das zusätzliche Geld würde nicht nur unter den heutigen rund 20 Millionen Rentnern verteilt werden – sondern eben auch unter den Beamten in Pension.
Im besten Fall würden sich Einnahmen und Ausgaben wohl die Waage halten. Dennoch sind die Wirtschaftsweisen laut ihrem Jahresgutachten aus dem Vorjahr für einen Wechsel der Beamten in das gesetzliche Rentensystem. Vor allem würde das System dadurch transparenter, argumentieren sie darin, Reformen könnte der Staat zudem leichter für alle durchsetzen.
Zu bedenken gibt es zudem: Die Beibehaltung des bisherigen Systems bringt auch hohe Kosten mit sich. 2023 hat die Deutsche Rentenversicherung laut dem Rentenatlas 2024 379,8 Milliarden Euro ausgegeben. Der Staat gibt Geld dazu: Für 2025 sind rund 121 Milliarden Euro eingeplant – etwa ein Viertel des Bundeshaushalts. Damit werden unter anderem Kosten ausgeglichen, die der Kasse durch politische Vorgaben entstehen, wie die "Rente mit 63".
Welche Nachteile hätte der Vorschlag?
Doch die Rentenversicherung spart sich auch viele Ausgaben, denn sie müsste auch die Kosten für die Beamten im Ruhestand übernehmen. Bei einem sofortigen Umstieg auch die heutigen Pensionen. Sie liegen bei durchschnittlich 3.200 Euro – das ist doppelt so hoch wie die Durchschnittsrente –, also bei rund 1,4 Millionen Empfängern rund 53,5 Milliarden im Jahr. Das läge deutlich über den möglichen Zusatzeinnahmen.
Bei einem langsamen Umstieg, der nur die neuen Beamten beträfe, wären es mit wohl durchschnittlich rund 1.800 Euro Rente 30 Milliarden Euro Ausgaben pro Jahr – immer noch mehr als die Einnahmen.
Der Beamtenstatus würde zudem durch eine solche Reform geschwächt – so die Bedenken. Denn neue Beamte würden 9,3 Prozent weniger Besoldung bekommen und spätere Rentenbezüge um fast 50 Prozent sinken. Damit könnte es schwer werden, in Zukunft junge Menschen für das Beamtentum zu gewinnen.
Was sagen Politik und Gewerkschaften?
Die Deutsche Rentenversicherung sieht das Ganze ähnlich wie die Wirtschaftsweisen: Präsidentin Gundula Roßbach findet, die Einbeziehung der Beamten wäre "eine Möglichkeit, um mehr Transparenz, Gleichbehandlung und Steuerbarkeit in der Alterssicherung herzustellen", zitiert die "Bild" sie.
Auch der Linken und den Grünen, die auch eine Forderung nach Aufnahme von Beamten in die Rentenversicherung in ihren vergangenen Wahlprogrammen aufgeführt hatten, geht es darum, eine solidarische Rentenversicherung für alle in Deutschland herzustellen.
Die Union sieht das anders, weshalb CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann der "Bild am Sonntag" über Bas sagte: "Die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten in die Rente löst weder die Probleme in der Rentenversicherung, noch ist das vom Koalitionsvertrag gedeckt." Bas solle nicht versuchen, "der Renten-Kommission alte SPD-Ideen als zukünftiges Ergebnis vorzuschreiben".
Auch der Deutsche Beamtenbund (dbb) lehnte Bas' Vorschlag direkt ab. "Einer Zwangs-Einheitsversicherung erteilen wir eine klare Absage", sagte der dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Bas hat ihren Vorstoß am Montag verteidigt und sagte: "Natürlich gibt es eine Grundlage im Koalitionsvertrag", nämlich "die Rentenkommission". Sie habe lediglich klarmachen wollen, dass sich die zukünftige Rentenkommission dieses Themas annehmen müsse.