• Sie wollte die SPD als führende Kraft in Berlin erhalten, nun droht sie zu scheitern.
  • Franziska Giffey und die Sozialdemokraten liegen nach den Hochrechnungen zur Abgeordnetenhaus-Wahl nur auf dem zweiten oder dritten Platz.
  • Wie geht es für Franziska Giffey weiter?

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So hatte sich Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey den Abend der Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhaus-Wahl nicht vorgestellt. Wird sie nach nur anderthalb Jahren im Roten Rathaus ihren Posten räumen müssen? Falls es nur Platz drei für ihre SPD hinter CDU und Grünen wird, hieße das: Giffey könnte weder in einer Koalition mit CDU-Wahlsieger Kai Wegner noch bei einer Fortsetzung der seit 2016 regierenden Koalition mit Grünen und Linken Regierungschefin bleiben. Denn in dem Fall hätte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch Anspruch auf das Amt.

"Dieses Ergebnis zeigt, die Berlinerinnen und Berliner sind nicht zufrieden mit dem, wie es jetzt ist", sagte sie am Sonntagabend auf der SPD-Wahlparty in Berlin. "Sie wünschen sich, dass Dinge anders werden." Im Wahlkampf hatte sie noch unterstrichen: "Ich bin gekommen, um zu bleiben." Doch dieser Traum, der nach den Umfragen vor der Wahl noch realistisch schien, könnte zerplatzen. Aus der Hoffnungsträgerin der Hauptstadt-SPD ist in Rekordzeit die große Wahlverliererin geworden.

Eine steile politische Karriere

Die SPD-Politikerin wurde in Frankfurt (Oder) geboren und wuchs bei Fürstenwalde östlich von Berlin auf. Giffey hat eine steile politische Karriere hinter sich. Eigentlich wollte sie Lehrerin werden. Doch dann sattelte sie auf Diplom-Verwaltungswirtin um. Von der Bildungsstadträtin und Bürgermeisterin im Berliner Multi-Kulti-Bezirk Neukölln stieg sie zur Bundesfamilienministerin auf. Sie saß in dieser Rolle mit Olaf Scholz am Kabinettstisch, als der noch unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel Bundesfinanzminister war.

Die Hauptstadt-SPD wählte Giffey und Fraktionschef Raed Saleh Ende 2020 zu ihrer Doppel-Spitze. Ihr Doktortitel in Politikwissenschaft wurde Giffey ein halbes Jahr später wegen Täuschung bei der Übernahme fremder Inhalte in ihrer Doktorarbeit aberkannt. Kurz zuvor hatte sie im Zuge der Plagiatsaffäre ihr Amt als Bundesministerin aufgegeben. Das führte auch in der Berliner SPD zu Diskussionen, aber Spitzenkandidatin für die Wahl 2021 konnte sie bleiben.

Bei der später für ungültig erklärten Abgeordnetenhauswahl im September 2021 holte die SPD zwar nur 21,4 Prozent der Stimmen. Das war ein historisch schlechtes Ergebnis. Doch weil die anderen Parteien noch weniger Zustimmung bekommen hatten, reichte es für Giffeys Einzug ins Bürgermeisterbüro im Roten Rathaus.

Auch mit der eigenen Partei nicht immer auf einer Linie

Mit ihren Koalitionspartnern hatte sie es seitdem nicht immer leicht. Im Wahlkampf nahmen die Spannungen zwischen SPD, Grünen und Linken spürbar zu. Mit Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch geriet Giffey aneinander, als die Grünen-Politikerin die Sperrung eines Teils der Berliner Friedrichstraße für den Autoverkehr ankündigte. Giffey bezeichnete die Aktion als undurchdachten Alleingang und warf Jarasch vor, das sei nicht im Senat abgestimmt gewesen.

Mit den Linken kommt Giffey beim Thema Enteignung großer Wohnungsunternehmen nicht auf einen Nenner und gilt für einen Teil der Partei als Vertreterin der Immobilienlobby. Auch die Berliner SPD macht Giffey manchmal das Leben schwer. Bei einem Landesparteitag im Juni 2022 erhielt sie bei der Wiederwahl als Landesvorsitzende gerade mal 58,9 Prozent der Stimmen. Der Landesverband gilt eher als links, beim Thema Enteignungen hat er mehr Gemeinsamkeiten mit der Linken und kann sich auch mit manchen anderen Giffey-Positionen nicht anfreunden.

Bei der Stimmabgabe am Mittag hatte sich Giffey noch zuversichtlich gezeigt. "Wir wollen gerne führende Kraft in dieser Stadt bleiben." Beim Wahlgang hatte sie eine besondere Begegnung: Sie traf an ihrem Wahllokal in Friedrichshain auf zwei Leute im Einhorn-Kostüm. Bei Twitter schrieb sie später zu einem Bild dieser Szene: "Ich liebe diese Stadt." Der Wahltag endete dann für sie mit einer großen Enttäuschung. (dpa/fab)

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