Weil die FDP bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, muss die Fraktion jetzt aufgelöst werden. Mitarbeiter, Computer, Möbel: Alles muss raus. Unterwegs mit Christine Aschenberg-Dugnus, die den Ausverkauf organisiert.
Christine Aschenberg-Dugnus gibt sich keine Mühe, die Situation schönzureden. "Ganz schön trostlos hier, oder?", sagt die ehemalige FDP-Abgeordnete zur Begrüßung. Die weißen Wände ihres Büros im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags sind überwiegend kahl. Nur Haken und Dübel zeugen noch von den Kunstwerken, die hier bis vor kurzem hingen. Auf dem Tischchen neben ihrem Schreibtisch steht ein Umzugskarton. Auf dem Türschild steht bereits: CDU-Fraktion.
Dass die FDP bei der Bundestagswahl im Februar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, manifestiert sich hier. Die meisten der 90 Abgeordneten haben ihre Büros bereits geräumt, ihre Mitarbeiter entlassen.
Dass Aschenberg-Dugnus noch da ist, liegt an ihrer Rolle als Liquidatorin. Gemeinsam mit Stefan Thomae und Torsten Herbst – wie sie parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion – ist sie mit deren Auflösung betraut. Keine Aufgabe, um die man sich reißt. "Spaß macht das nicht", sagt Aschenberg-Dugnus. "Aber die Arbeit muss getan werden, und ich kann das. Ich bin Anwältin und habe als solche gelernt, Emotionen zurückzustellen."
Auf Kabel-Suche im "Bermuda-Dreieck" der Liberalen
Die Aufgabe gleicht der einer Nachlassverwalterin: Sämtliche Verträge durchgehen, schauen, was man wie schnell kündigen kann. Die Fraktion hat zum Beispiel einige digitale Zeitungsabonnements. Und wie bei einem Todesfall häufig ein Haushalt aufzulösen ist, so müssen auch Aschenberg-Dugnus und ihre Mitstreiter jede Menge Dinge loswerden.
Alles, was die Fraktion aus Steuergeld gekauft hat, müssen sie einsammeln, schätzen und an den Mann bringen. Der Staat finanziert die parlamentarische Arbeit der Bundestagsfraktionen, und will möglichst viel Geld zurück.
"Entscheidend ist, dass wir die Sachen nicht unter Wert abgeben. Sonst sagt der Bundesrechnungshof zu Recht: 'Moment, das Ding war noch 300 Euro wert und Sie haben es für 30 Euro hergegeben, daraus ist dem Steuerzahler ein Nachteil entstanden.' Das darf im Sinne des Steuerzahlers nicht sein."
Aschenberg-Dugnus führt in den Keller, zu einem Raum namens "Bermuda-Dreieck". Hier stapeln sich Kühlschränke, Mikrowellen und Kaffeemaschinen, Kameras und Stative, Kisten mit Tastaturen, Mäusen, Lochern. Mit Blick auf die Haushaltsgeräte sagt die FDP-Frau: "Da müssen Sie gucken, ob alle Kabel da sind. Ist ja menschlich, dass mit der Zeit mal was verloren geht. Aber ohne Kabel ist das Ding natürlich weniger Wert. Das müssen Sie dann vermerken."
Der Fraktion komme zugute, dass sie seit Jahren vorwiegend und seit 2021 komplett digital arbeite - als erste Fraktion. "Wer was mit Fraktionsgeldern angeschafft hat, wurde also nicht auf irgendwelchen Zetteln aufgeführt, sondern digital erfasst." 2013, als die FDP schon einmal aus dem Bundestag flog, sei die Abwicklung noch aufwändiger gewesen. "Da wird heute noch geschreddert."
Aschenberg-Dugnus: Außerparlamentarische Opposition ist "verdammt harte Arbeit"
Zwölf Jahre soll es diesmal nicht dauern. Ein Jahr aber werden sie schon brauchen, schätzt Aschenberg-Dugnus. Den Job als Liquidatorin macht sie ehrenamtlich. Derzeit bekommt sie noch ihre reguläre Diät. Pro Jahr im Amt zahlt der Staat die Abgeordneten nach dem Ausscheiden einen Monat lang weiter, bis zu eineinhalb Jahre lang. Für Aschenberg-Dugnus macht das sieben Monate. Sie fällt also weich.
Künftig will die 65-Jährige wieder als Anwältin arbeiten – und sich weiter für ihre Partei einsetzen. "Als ehemalige Abgeordnete haben wir die Verpflichtung, weiter aktiv und hörbar zu sein, uns einzumischen", macht sie klar. "Das sage ich gerade auch den Jüngeren."
Außerparlamentarische Opposition sei "verdammt harte Arbeit, aber notwendig". Auf Veranstaltungen gehen, Kontakte pflegen, die Partei im Gespräch halten – nur wenn viele dranbleiben würden, habe die FDP in vier Jahren eine Chance auf den Wiedereinzug.
Aschenberg-Dugnus weiß, wovon sie spricht. Vor dem Aus für die FDP 2013 saß sie schon einmal für die Partei im Bundestag. Leichter als 2017 dürfte ein Comeback 2029 nicht werden: Die AfD ist heute wesentlich stärker, mit dem BSW gibt es einen zusätzlichen Akteur. Der Kampf der Parteien um Aufmerksamkeit: härter denn je. Auch deshalb will Aschenberg-Dugnus, die eigentlich im schleswig-holsteinischen Strande lebt, ihre Wohnung in der Hauptstadt behalten.
Vorerst wird sie ohnehin regelmäßig in Berlin gebraucht. Ein zweiter Lagerraum, schräg gegenüber des "Bermuda-Dreiecks", neben dem Social-Media-Studio der AfD-Fraktion: FDP-gelbe Sitzsäcke und Stockschirme, Flipcharts, eine ganze Regalwand mit Monitoren. Zunächst werde man den ehemaligen Mitarbeitern und den anderen Fraktionen die Möglichkeit geben, beim FPD-Ausverkauf zuzuschlagen. Eventuell wird für den Rest ein digitales Verkaufsportal eingerichtet – eBay im Kleinformat, quasi.
Das Scheitern jeden Tag vor Augen
Auch für zwei Kisten von der Größe eines Einkaufskorbs, bis zum Rand mit Text- und Whiteboard-Markern gefüllt, werden Abnehmer gesucht. "Wir können nicht jeden Marker einzeln verkaufen, aber auch nicht einfach alle wegwerfen, das hat ja alles einen Wert", sagt Aschenberg-Dugnus. "Also sammeln wir alles und hoffen, möglichst große Kontingente auf einmal loszuwerden. Vielleicht gibt es ja eine Firma, die Fortbildungen organisiert oder so, und so viele gebrauchen kann".

Stift für Stift, Schritt für Schritt. Alles ordnungsgemäß abzuwickeln sei zwingende Voraussetzung, um in vier Jahren wieder in den Bundestag einziehen zu können, sagt Aschenberg-Dugnus. Also tun die parlamentarischen Geschäftsführer und die wenigen verbliebenen Mitarbeitenden, was getan werden muss, auch wenn es zuweilen schwerfällt, das Scheitern der eigenen Partei so dezidiert vor Augen geführt zu bekommen.
Nur vor einem Moment hat sich die sonst so taffe Christine Aschenberg-Dugnus gedrückt: als die Kunstwerke, die sie aus der Sammlung des Bundestags ausgesucht und ausgeliehen hatte, aus ihrem Büro abgeholt wurden. "Da war ich nicht hier, weil ich dachte, da kommt sonst die Kunstliebhaberin durch, nicht die Juristin."