• Wegen des Angriffs auf die Ukraine gerät Russland auch auf dem G20-Gipfel in Indonesien unter Druck.
  • In der praktisch fertig ausgehandelten Abschlusserklärung wird der Überfall "aufs Schärfste" verurteilt.
  • Eine besondere Formulierung macht das Papier auch für den russischen Außenminister Lawrow tragbar.

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Auf die Unterstützung oder zumindest die Tolerierung seines außenpolitischen Handelns durch China und Indien konnte sich Russland bislang verlassen. Trotz des Überfalls auf die Ukraine vor knapp neun Monaten standen die beiden Großmächte an der Seite des russischen Präsidenten Wladimir Putin und unterließen öffentliche Kritik.

Auf dem G20-Gipfel in Indonesien scheint es damit aber nun vorbei. China und Indien verzichteten demonstrativ darauf, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu blockieren.

G20-Abschlusserklärung: "Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste"

Die Chefunterhändler der Europäischen Union und der 19 führenden Industrie- und Schwellenländer hatten sich auf der indonesischen Insel Bali nach schwierigen Verhandlungen auf einen Entwurf für die Abschlusserklärung geeinigt. In dem öffentlich gewordenen Papier heißt es: "Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste."

Konkret wird im Entwurf der Abschlusserklärung aus einer Resolution der Vereinten Nationen zitiert. Damit wird Russland aufgefordert, die Kriegshandlungen einzustellen und seine Truppen sofort aus der Ukraine abzuziehen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der seinen Chef Putin auf dem Gipfel wegen dessen angeblicher Terminschwierigkeiten vertritt, bestätigte, dass die Arbeit an dem gemeinsamen Abschlusspapier praktisch abgeschlossen sei.

Warum Lawrow für Russland die G20-Erklärung mittragen will

Auch Moskau will die Erklärung mittragen - weil darin ausdrücklich betont wird, dass nicht alle G20-Länder die Verurteilung teilen. Das Papier soll an diesem Mittwoch zum Abschluss des Gipfels von den 20 Delegationen verabschiedet werden.

"Unsere westlichen Kollegen haben auf jede erdenkliche Weise versucht, diese Erklärung zu politisieren, und sie haben versucht, Formulierungen reinzuschmuggeln, die eine Verurteilung der Handlungen der Russischen Föderation im Namen der ganzen G20 implizieren würden, einschließlich uns selbst", sagte Lawrow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge am Dienstag. Der Entwurf enthalte nun sowohl die westliche als auch die russische Sichtweise auf den Krieg in der Ukraine, so Lawrow weiter.

Russischer Krieg wird auch als solcher bezeichnet

Auf Russlands Position wird vor allem mit dem Satz eingegangen: "Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage." Russland akzeptiert demnach auch, dass der russische Angriff als Krieg bezeichnet wird und nicht - wie von Putin vorgegeben - als "militärische Spezialoperation".

Zudem steht in dem Entwurf, dass der Krieg nach Auffassung der meisten G20-Mitglieder die Probleme der Weltwirtschaft verstärkt und zum Beispiel das Wachstum schwächt und die Inflation steigen lässt. Wer die meisten G20-Mitglieder sind, wurde nicht aufgelistet.

Russland stimmt auch zu, dass in der Abschlusserklärung nicht nur der Einsatz von Atomwaffen, sondern auch die Drohung damit als unzulässig bezeichnet wird. Zuletzt hatte die völkerrechtswidrige Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten Sorgen vor einem russischen Atomwaffeneinsatz geschürt. Militärisch war Russland zuletzt immer stärker unter Druck geraten - Putin musste etwa mehrere wichtige besetzte Städte räumen.

Lawrow trifft Scholz - der Kanzler wiegelt ab

Lawrow sagte außerdem, dass er sich kurz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron getroffen habe. Dem russischen Außenminister zufolge ist Macron bereit zu erneuten Kontakten mit Russlands Präsident Wladimir Putin.

Scholz bestätigte seinerseits den Kontakt mit Lawrow, betonte allerdings, er wolle nicht, dass da ein falscher Eindruck von der Länge des Austauschs entstehe. "Er stand in meiner Nähe und hat auch zwei Sätze gesagt. Das war das Gespräch", erklärte Scholz am Dienstag nach den ersten beiden Arbeitssitzungen des Gipfels.

Es war sein erstes physisches Treffen mit einem russischen Regierungsvertreter seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Scholz hat in den nun schon fast neun Kriegsmonaten aber mehrfach mit Putin telefoniert. Das werde er auch weiter tun. "Ich halte es für richtig, dass es ein ständiges Gespräch gibt, in dem wir auch genau die Fragen diskutieren, die wir unterschiedlich sehen", sagte Scholz.

Beim G20-Gipfel sind neben der EU Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA vertreten. Indien wird am 1. Dezember die G20-Präsidentschaft von Indonesien übernehmen. (hub/dpa)