Deutschland leidet an Fachkräftemangel. Ein neues Einwanderungsgesetz soll helfen, diese Lücke zu schließen. Arbeitsminister Heil und Innenministerin Faeser suchen deshalb jetzt Inspiration in Kanada.

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Auf ihrer Kanada-Reise sprechen Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil in Ottawa mit Regierungsvertretern über die Voraussetzungen für eine bessere Steuerung der Einwanderung von Arbeitskräften. Die beiden SPD-Minister wollen sich am Montag und Dienstag außerdem in Firmen und bei Fachleuten für Integration Anregungen für ihre geplante Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes holen, das demnächst vom Kabinett beschlossen werden soll.

In Kanada gibt es neben anderen Formen der Erwerbsmigration ein System, mit dem festgestellt werden soll, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Ausländer nach seiner Einreise eine Stelle findet. Dies geschieht idealerweise in einem Bereich, in dem aktuell ein Mangel herrscht. Bei der Beantragung des Arbeitsvisums über ein Punktesystem, werden neben der Ausbildung beispielsweise das Alter, die Sprachkenntnisse und die Berufserfahrung berücksichtigt.

Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild

Neben Heil und Faeser sind Innenausschuss-Mitglieder des Bundestages in Kanada dabei. "Wir werden unser Einwanderungsrecht entscheidend modernisieren, insbesondere durch Einführung eines Punktesystems nach kanadischem Vorbild", sagte die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch. Sie will vereinfachte Verfahren: "Unser neues Arbeitseinwanderungsrecht wird dann seine volle Schlagkraft entfalten, wenn wir es mit besseren und voll digitalisierten Verfahren umsetzen. Kanada macht uns das bereits vor."

Die Möglichkeiten für Arbeitskräfte, die nach Kanada einwandern wollen, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach geändert. Die geltenden Regeln orientieren sich stark an den aktuellen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Allerdings kommt es häufig vor, dass Arbeitsmigranten am Ende doch keine Stelle finden, die ihrer Qualifikation entspricht.

In Kanada gibt es zwei Arten von Aufenthaltstitel für ausländische Arbeitnehmer: Die offene Arbeitserlaubnis, die weder an einen Arbeitgeber, einen Ort, noch eine bestimmte Tätigkeit gebunden ist, sowie die geschlossene Arbeitserlaubnis, die nur eine zuvor festgelegte Tätigkeit für einen bestimmten Arbeitgeber an einem bestimmten Ort gestattet.

Heil erklärte, er erhoffe sich von dem Besuch einen "Blick in den 'Maschinenraum' des kanadischen Systems – auch, um gute Beispiele und Anregungen mit nach Deutschland zu nehmen". Faeser betonte, Kanada sei ein "Vorbild" für ein modernes Einwanderungsrecht.

Anerkennung von Abschlüssen und Berufserfahrung soll erleichtert werden

Faeser und Heil schlagen vor, dass es künftig ausreichen soll, wenn jemand die Qualifikation für einen nicht-reglementierten Beruf durch einen ausländischen Berufs- oder Hochschulabschluss und Berufserfahrung nachweist. Die formale Anerkennung des ausländischen Berufsabschlusses soll nicht mehr erforderlich sein. Um Lohndumping zu verhindern, soll allerdings eine "Gehaltsschwelle" eingehalten werden oder der Arbeitgeber muss tarifgebunden sein.

Wer seinen ausländischen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen will, hat die Möglichkeit, dies künftig erst nach der Einreise einzuleiten.

Christian Lindner

Irreguläre Einwanderung: Lindner fordert mehr Abschiebungen

Hinsichtlich der Debatte um irreguläre Einwanderung hat der FDP-Politiker klare Vorstellungen. Die irreguläre Einreise von Migranten nach Deutschland muss aus Sicht von Finanzminister Christian Lindner wirksamer unterbunden werden.

Das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz der schwarz-roten Bundesregierung war im März 2020 in Kraft getreten. Wegen der Reisebeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie konnte das neue Gesetz seine Wirkung zunächst nicht entfalten. Im Jahr 2019 waren knapp 25.000 gering qualifizierte Arbeitskräfte und rund 39.000 Fachkräfte zum Arbeiten nach Deutschland gekommen.

Kritik aus der Opposition

Erste Einwände kamen aus der Opposition. "Das Punktesystem funktioniert nur bei einem Überangebot an Zuwanderungswilligen", sagte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Hermann Gröhe der "Rheinischen Post" am Montag. Deutschland müsse hingegen attraktiver für Arbeitsmigranten werden.

"Wir müssen in Deutschland ein Klima schaffen, in dem diejenigen, die uns brauchen, und diejenigen, die wir brauchen, sich willkommen fühlen", sagte Gröhe. Dazu trügen "Bildungsreisen nach Kanada" erst einmal nicht bei. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sei bereits modernisiert worden. Doch wegen unzureichender Kapazitäten stapelten sich derzeit Tausende von Anträgen zu Visavergabe und Anerkennung von Berufsabschlüssen, erläuterte Gröhe weiter.

Auch aus Sicht der CDU-Arbeitsmarktexpertin Ottilie Klein kann das kanadische Punktesystem nicht auf Deutschland übertragen werden. "Das von der Ampel geplante Punktesystem ist nicht der richtige Weg, denn es setzt voraus, dass Deutschland aus einem breiten Pool von ausländischen Fachkräften frei wählen kann", sagte Klein dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND). Dies sei aber nicht der Fall. (dpa/afp/the)

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