150 bis 200 deutsche Soldaten werden im Rahmen eines Nato-Einsatzes zur Abschreckung gegen Russland künftig im Baltikum stationiert. Ein brisantes Manöver, das kaum zu einer Verbesserung des angespannten Verhältnisses zwischen Nato und Russland beitragen dürfte. Auch für die angespannte Beziehung Russlands zu Deutschland bedeutet die Truppenverlegung einen Drahtseilakt.

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Bereits in der Vergangenheit hatte sich die deutsche Luftwaffe mehrfach an Nato-Missionen beteiligt, um den Luftraum über Estland, Lettland und Litauen zu sichern.

Nun soll erstmals auch eine Bundeswehrkompanie an der Ostgrenze des Bündnisses stationiert werden. 150 bis 200 Soldaten wird Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf Bitten der Bündnispartner nach Litauen beordern.

Der Grund: Die baltischen Staaten fühlen sich durch die Ukraine-Krise und die russische Annexion der Halbinsel Krim bedroht. Aber was bedeutet diese Entscheidung für die Beziehung zwischen Deutschland und Russland? Ist der Schaden womöglich größer als der Nutzen?

Bundesregierung: Russland nicht unnötig provozieren

Nach den Plänen der Nato ist es sogar denkbar, dass Deutschland in Litauen die Führungsrolle übernimmt. Die Mission könnte aus wechselnden Einheiten von bis zu 1.000 Soldaten bestehen und wird sich laut Medienberichten aus rotierenden Truppen in den baltischen Staaten, Polen und Rumänien zusammensetzen.

Die Bundesregierung hat allerdings trotz ihrer Zusage für die neue Mission betont, dass Russland nicht unnötig provoziert werden soll, wie "Spiegel Online" berichtete.

Berlin pocht daher auf die strikte Einhaltung der Nato-Russland-Akte. Diese Vereinbarung verbietet die dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen an der Ostgrenze des Bündnisses.

Vor der neuerlichen Zusage hatte die Bundeswehr aber auch ihre Aktivitäten an der Ostflanke verstärkt: Rund 5.500 deutsche Soldaten werden 2016 zu Manövern und zur Ausbildung vor allem nach Polen und in die baltischen Länder geschickt – etwa 500 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Manöver mir Bundeswehr-Beteiligung steigt im Vergleich zu 2015 von 16 auf 21.

"Sehr gefährliche Situation"

Die erhöhten Aktivitäten der Nato an der Grenze zu Russland sind auch intern nicht unumstritten: Sie stellen das Verhältnis zum größten Land der Erde auf die Probe.

Russland fühlt sich durch die Ausdehnung der Nato seit Jahren provoziert. Nach Ende des Kalten Krieges und der Auflösung des östlichen Militärbündnisses, dem "Warschauer Pakt", galt die Nato-Osterweiterung als undenkbar.

Heute ist sie Realität - trotz früherer Warnungen auch von namhaften US-Politikern wie Ex-Verteidigungsminister Robert McNamara.

2004 traten Estland, Lettland und Litauen dem Bündnis bei, Georgien und die Ukraine könnten folgen. "Heute befinden wir uns in einer sehr gefährlichen Situation, die zu einer verschlechterten Sicherheitslage in vielen Bereichen führen kann, die über Jahre hinweg ruhig und sicher gewesen sind", erklärte der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko kürzlich vor dem ersten Treffen des Nato-Russland-Rates seit 2014.

Unionsfraktionsvize Franz-Josef Jung (CDU) wertete das Treffen aus deutscher Sicht als "wichtiges Zeichen". Es sei aber "noch nicht der Neuanfang in den Beziehungen zu Russland".

Experte: Putin will Merkel schwächen

Das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau gilt derzeit als schwierig. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich wiederholt gegen die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Russland als Folge des Ukraine-Krieges ausgesprochen.

Einige andere EU-Staaten wünschen sich mittlerweile aber genau das – vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. "Vermutlich könnte Putin mit einem anderen Kanzler die Sanktionen beenden, darum hat er ein großes Interesse, Merkel entscheidend zu schwächen", erklärte Russland-Experte Boris Reitschuster der "Mainpost".

Durch kremltreue Kanäle wie RT Deutsch oder Sputnik und gezielte Falschinformationen soll die öffentliche Meinung hierzulande im Sinne Moskaus beeinflusst werden. Zudem gibt es Verbindungen zur regierungskritischen AfD.

Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew sprach auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar gar von einem "neuen Kalten Krieg" zwischen seinem Land und dem Westen.

Durch die Stationierung von Soldaten oder militärische Provokationen – egal von welcher Seite – wird er ganz bestimmt nicht beendet.

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