- Bis zum Dachgeschoss standen manche der Häuser bei der Ahrtal-Flut unter Wasser.
- Kürzlich aufgetauchte Videoaufnahmen der Polizei in Rheinland-Pfalz machen einmal mehr deutlich, wie dramatisch die Lage damals war - und dass die Behörden Bescheid wussten.
- Die Videos setzen den rheinland-pfälzischen Innenminister massiv unter Druck - die Opposition fordert seinen Rücktritt.
Ganze Landstriche sind überflutet. Einige Menschen haben sich auf ein Garagendach gerettet, ein Auto treibt mit eingeschaltetem Heckscheibenwischer und Innenbeleuchtung durch die Fluten. Gegen die Scheiben eines vom Wasser eingeschlossenen Hauses klatschen die Wellen. Einige der Häuser stehen bis zum Dachgeschoss unter Wasser.
Es sind drei Videos, die das Ausmaß der Ahrtal-Flut am 14. und 15. Juli 2021 auf neue Art begreiflich machen. Und dem rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz (SPD) den Job kosten könnten.
Das Innenministerium hatte die erst kürzlich aufgetauchten Aufnahmen am Dienstag mehreren Journalisten gezeigt. Zuvor waren sie hinter verschlossenen Türen nur dem Untersuchungsausschuss des Landtags gezeigt worden. Ein Polizeihubschrauber hatte die Videos am 14. Juli 2021 aufgenommen. Sie zeigen die Orte Mayschoß bis Schuld zwischen 22:14 Uhr und 22:43 Uhr in der Flutnacht.
Aufnahmen machen Ausmaß der Arthal-Katastrophe deutlich
Menschen und Hinweise auf bestimmte Häuser wurden in den insgesamt drei Videos verpixelt, bevor man sie veröffentlichte. Ein Mensch, der im Wasser treibt, sei an keiner Stelle zu erkennen, sagte Christoph Semmelrogge, Chef des Präsidiums Einsatz, Logistik und Technik, zu dem die Hubschrauberstaffel gehört, von der die Aufnahmen gemacht wurden. Das in den Fluten treibende Auto sei nach Angaben der Polizei leer gewesen.
Innenminister Lewentz hatte Ende September vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, ihm habe am Abend des 14. Juli 2021 "kein vollständiges Lagebild" vorgelegen. Dabei stammte die Idee für die Aufnahmen aus dem Lagezentrum seines Ministeriums.
Dort angekommen sind sie offenbar nicht: Lewentz hat die Videos nach eigenen Angaben zum ersten Mal am 23. September im U-Ausschuss zur Ahr-Flut bei seiner zweiten Befragung gesehen. "Das geht jedem sehr nahe, wenn man diese Bilder sieht", sagte der SPD-Politiker.
Er sagte aber auch, die "hauptausschlaggebenden Elemente für diese Katastrophe" sehe er auf den Videos nicht. So seien keine toten Menschen zu sehen. Lichtzeichen von Einsatzkräften vor Ort hingegen schon. "Ich sehe hier ein ganz großes, starkes Hochwasser."
Mindestens 134 Menschen aus Rheinland-Pfalz hatten die Flutkatastrophe nicht überlebt, 700 wurden verletzt. In Nordrhein-Westfalen starben weitere 49 Menschen durch die Flut. Auch dort gibt es einen Landtags-U-Ausschuss zur Aufarbeitung der Katastrophe.
Mitarbeiter hatte die Videos auf seiner externen Festplatte
Warum die Videos erst über ein Jahr nach der Flutkatastrophe auftauchten, erklärten Semmelrogge und der Koblenzer Polizeipräsident Karlheinz Maron mit einem Dokumentationsfehler und einem Missverständnis. Die Videos seien erst kürzlich auf der externen Festplatte eines Mitarbeiters der Hubschrauberstaffel gefunden worden, sagte Semmelrogge. Es habe aber nie die Absicht gegeben, die Aufzeichnungen unzugänglich zu machen.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz sieht unterdessen Klärungsbedarf, was mit den Aufnahmen geschah. Inwiefern die Ermittlungen der Behörde womöglich ausgeweitet werden müssten, werde geprüft, sagte Oberstaatsanwalt Dietmar Moll Ende September.
Opposition fordert Lewentz' Rücktritt
In der Diskussion um die Filmaufnahmen werden indes die Rufe nach einem Rücktritt des rheinland-pfälzischen Innenministers lauter. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag, Christian Baldauf, sagte, wer solche Videos nicht als Handlungsaufforderung begreife, sei fehl am Platz. "Lewentz hat alles Vertrauen verspielt."
Er forderte ebenso wie der Fraktionsvorsitzende der AfD, Michael Frisch, Lewentz' Rücktritt. Trete Lewentz nicht von sich aus zurück, müsse Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ihn entlassen. Dreyer lehnt das bisher ab.
Der Obmann der Freien Wähler im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe, Stephan Wefelscheid, sagte: "Hätte man diese Videos gesehen, hätte man echt krasse Anhaltspunkte dafür gehabt, dass hier zentrale Abwehrmaßnahmen erforderlich sind".
Verwendete Quellen:
- dpa
- Sueddeutsche.de: Menschen, die um Hilfe leuchten