Wie lässt sich die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland eindämmen? Es gibt einen groben Krisenplan. Die Kanzlerin empfiehlt in jedem Fall harte Maßnahmen für jeden Einzelnen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bevölkerung wegen der rasanten Ausbreitung des Coronavirus zu drastischen Einschnitten aufgefordert. Wo immer möglich sollten die Menschen auf Sozialkontakte verzichten, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstagabend nach Beratungen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin.

Auch "alle nicht notwendigen" Veranstaltungen mit weniger als 1.000 Teilnehmern sollten abgesagt werden. Details nannte sie nicht.

An diesem Freitag dürften wahrscheinlich weitere Veranstaltungen abgesagt werden. Mit Spannung erwarten Eltern am Freitag auch die Entscheidung zahlreicher Bundesländer, ob bald in größerem Maß Schulen geschlossen werden.

Saarland macht Schulen zu, Bayern und Baden-Württemberg entscheiden am Freitag

Die vorübergehende Schließung von Kindergärten und Schulen etwa durch das Vorziehen der Osterferien sei eine Option, hatte Merkel gesagt. Eine bundesweite Schließung der Schulen beschlossen Bundesregierung und Ministerpräsidenten aber nicht.

Im Saarland sollen ab Montag alle Schulen und Kindertageseinrichtungen bis Ende der Osterferien geschlossen bleiben. Dies geschehe aufgrund der Situation des Saarlandes als Grenzland zum Risikogebiet Grand Est in Frankreich, teilte die Staatskanzlei in der Nacht zu Freitag mit.

Am Freitag wollen Bayern und Baden-Württemberg über landesweite Schulschließungen entscheiden. Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es Beratungen des Kabinetts.

Bei der Kultusministerkonferenz (KMK) am Donnerstag waren großflächige Schulschließungen zunächst nicht geplant worden. Die Konferenz schließe jedoch eine derartige Maßnahme nicht aus, sagte die Vorsitzende, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD).

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verwies wie zuvor schon Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) darauf, dass Eltern auch Betreuung für ihre Kinder bräuchten. Viele arbeiteten in der Pflege, bei der Feuerwehr oder im Gesundheitssystem.

Alle planbaren Operationen sollen verschoben werden

Um die Krankenhäuser für Corona-Patienten in Deutschland freizuhalten, sollen nach dem Willen von Bund und Ländern alle planbaren Operationen, Aufnahmen und Eingriffe verschoben werden. Dies solle soweit medizinisch vertretbar ab Montag für unbestimmte Zeit gelten, heißt es in einem Beschluss von Bundesregierung und den Ministerpräsidenten.

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) sagte, die gesamten Krankenhauslandschaft müsse so umgestellt werden, dass genügend Intensivbetten zur Verfügung stehen. "Es darf auf keinen Fall dazu führen, dass wir wie in Italien und anderswo in die Situation kommen, dass in den Krankenhäusern Entscheidungen getroffen werden müssen, welcher Patient in welchem Alter behandelt wird."

Immer mehr Länder schließen ihre Grenzen

Unterdessen schlossen weitere Länder faktisch ihre Grenzen, so zum Beispiel Tschechien. Betroffen davon sind auch Bürger aus Deutschland die keinen festen Wohnsitz in dem EU-Mitgliedstaat haben. Der internationale Bahn- und Fernbusverkehr in die genannten Länder wird eingestellt.

In Deutschland sind bislang mehr als 2.400 Infektionen mit dem Coronavirus bekannt. Das geht aus einer Auswertung der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die gemeldeten Zahlen der Bundesländer berücksichtigt.

Infografik: Ausbreitung Coronavirus in Deutschland
© 1&1 Mail & Media

Am Donnerstagabend wurde der sechste Coronavirus-Todesfall in Deutschland gemeldet - es ist der dritte im besonders betroffenen Kreis Heinsberg. Die Todesopfer in Deutschland sind zwischen 67 bis 89 Jahre alt.

Gravierende Folgen für die Wirtschaft

Gravierende Spuren werde die Epidemie auch im Wirtschaftssystem haben, sagte Merkel am Donnerstagabend. "Das ist eine unbekannte Herausforderung für uns", sagte Merkel. "Wir sind in einer Situation, die außergewöhnlich ist in jeder Beziehung, und zwar, ich würde sagen außergewöhnlicher als zu der Zeit der Bankenkrise".

Nach der Europäischen Zentralbank (EZB) will am Freitag auch die EU-Kommission Konjunkturhilfen in der Coronavirus-Krise vorschlagen. Es geht zum einen darum, die EU-Regeln für staatliche Schulden, Defizite und Beihilfen großzügig auszulegen, damit EU-Staaten geschädigten Firmen und Branchen unter die Arme greifen können.

Zum anderen will die Kommission Investitionen, Liquiditätshilfen für Banken und billige Kredite für Unternehmen ermöglichen. Darüber hinaus wird eine Einschätzung erwartet, wie stark die Epidemie die europäische Wirtschaft schädigen könnte.

Bund und Länder wollen nach den Worten von Bayerns Ministerpräsident Söder eine Wirtschaftskrise in Deutschland als Folge des Coronavirus verhindern. "Wir werden alles tun, was notwendig ist, um die wirtschaftliche Stabilität zu erhalten", sagte Söder am Donnerstagabend in Berlin.

Die Erhöhung von Liquiditätshilfen sei "zentral". Deutschland sei ein reiches Land. Eine "tiefe Rezession" solle vermieden werden. Der Bundestag will im Schnellverfahren Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld beschließen. (dpa/ank)

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