- Bei Wind und Regen setzt die Polizei die Räumung des besetzten Weilers Lützerath fort.
- Small Talk über das miserable Wetter hört man am Rand des Braunkohletagebaus aber wenig – es geht längst um andere Fragen.
- Wird von Lützerath irgendetwas bleiben außer einem Krater?
Tag zwei der Räumung beginnt in Lützerath mit dem Geräusch einer Motorsäge. Kreischend frisst sie sich in Minutenschnelle durch das schwere Tor des jahrhundertealten Duisserner Hofs. Es ist ein Tor mit hohem Symbolwert.
Der Bananensprayer Thomas Baumgärtel hat darauf sein Markenzeichen hinterlassen,
Die Beamten in ihren einheitlichen Uniformen, ausgestattet mit Helm und Schild, haben etwas von den Stormtroopers aus "Star Wars". Das führte dazu, dass die Aktivisten aus ihren Baumhäusern mitunter den "Imperial March" von Filmbösewicht Darth Vader angestimmt haben, wenn eine Kolonne unter ihnen hinwegzog. Das war allerdings an Tag eins. Jetzt ist die Stimmung nicht mehr so gut.
Lützerath: Aktivisten kämpfen mit den Tränen
Die Aktivisten, die aus Bauer Heukamps Bauernhof gebracht werden, kämpfen zum Teil mit den Tränen. Auf der Straße weht ihnen Regen ins Gesicht, der an diesem Tag von einem scharfen Wind über Lützerath geblasen wird und den Ort an mancher Stelle geradezu im Schlamm versinken lässt.
Noch hängt das große Transparent mit der Aufschrift "1,5°C heißt: Lützerath bleibt!" an der braunroten Ziegelsteinwand. Aber aus Sicht der Aktivisten ist jetzt auch das wichtigste Gebäude des Ortes in der Hand der Polizei – und damit von RWE. Längst hat der Kampf um die Deutungshoheit begonnen, wie dieser Polizeieinsatz einst zu bewerten sein wird. Man könnte auch sagen: die Schlammschlacht.
"
Lesen Sie auch: Wo Habeck beim Thema Klimaschutz deutliche Fortschritte machen will
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beruft sich auf Energienotlage
Habeck sieht das naturgemäß anders. In Deutschland gebe es aufgrund des Ukraine-Kriegs eine "Gasmangellage, eine Energienotlage", und diese habe man "auch mit zusätzlicher Verstromung von Braunkohle" abwehren müssen, sagte er im ZDF. "Das fasst mich auch an oder treibt mich um, so wie alle in meiner Partei. Aber trotzdem müssen wir das erklären, was richtig ist."
Dass der Ort Lützerath, unter dem diese Kohle liegt, für die Aktivisten verloren ist, ist am Donnerstag offenkundig. Meter um Meter fressen sich schwere Abrissmaschinen in den Weiler vor. Mehr als 200 Aktivisten hatten die Ortschaft bereits am Vortag verlassen. Am Donnerstag ist sie bereits komplett mit einem Zaun umgeben.
Während in einigen Baumhäusern noch Aktivistinnen und Aktivisten in weißen Ganzkörperanzügen ausharren – bei stürmischen Böen, sodass die Äste auf- und niederwippen – werden neben ihnen schon Bäume gefällt und Hütten abgebrochen. In anderen Hütten suchen Polizisten Schutz vor dem Regen, stehen in kleinen Gruppen beieinander und rauchen – ein besonders starkes Bild dafür, dass sie hier jetzt den Ton angeben. Es sieht ganz danach aus, dass Lützerath in kurzer Zeit vom Erdboden verschwunden sein wird.
Luisa Neubauer: Die Grünen machen einen "großen Fehler"
Laut Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die an diesem Donnerstag im Nachbarort Keyenberg zusammen mit den Chefs von Greenpeace, BUND und anderen Umweltschutzorganisationen auftritt, machen die Grünen einen "großen Fehler", indem sie Lützerath opfern.
Lakshmi Thevasagayam, eine Sprecherin der Akitivisten, steht unterdessen auf einer Wiese in Lützerath, auf der Polizisten mit Stemmeisen an verbliebenen Hütten hantieren. Sie denkt erkennbar schon über das mittlerweile arg ramponierte Camp hinaus.
In Indien seien im vergangenen Jahr Menschen vor Hitze umgefallen, sagt sie – die Klimakatastrophe sei doch da. "Jetzt haben wir noch eine Chance, dagegen etwas zu tun." Auch zwischen Regen und Kälte. (Jonas-Erik Schmidt und Christoph Driessen, dpa/lh)

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.