Beim Laufen lässt sich wunderbar Stress abbauen – wenn der Alltag nicht zu belastend ist. Wann zu viel Stress Körper und Psyche überlastet.
Stress in der Arbeit, Streit in der Familie, Bewältigung von globalen Stapelkrisen: Und dann noch auf die Laufrunde gehen? Fehlt dir die Motivation für deinen Sport, kann das an zu viel Stress liegen. Es kommt aber auf die Art der Belastung an und wie wir sie individuell empfinden.
Was ist eigentlich Stress und welche Arten von Stress gibt es?
Stress hat in unserer Leistungsgesellschaft einen sehr negativen Stellenwert. Das ist aber eine zu einseitige Betrachtung. Kurzfristig ist Stress eine ganz normale Reaktion von Körper und Geist auf die Anforderungen im Alltag. Er hält uns wach, fokussiert und leistungsbereit, so dass wir auf Gefahren und Herausforderungen angemessen reagieren können. Die Nervosität vor einem Wettkampf etwa lässt uns konzentriert und motiviert auf die Strecke gehen. Ständiger Stress dagegen hat langfristig negative Auswirkungen. Wir fühlen uns unter Druck gesetzt und überlastet, was sich in psychischen und körperlichen Symptomen ausdrücken kann.
Ob und wie sehr uns Belastungen zu schaffen machen, hängt neben der Dauer von der Art des Stresses ab. Entscheidend ist das subjektive Empfinden: Bewertest du eine Situation als überfordernd oder bedrohlich, erzeugt sie bei dir Stress. Andere dagegen fühlen sich in derselben Lage angenehm herausgefordert.
Die Wissenschaft bezeichnet diese Stressformen als:
- Eustress (positiven Stress) empfinden wir als förderlich. Die Situation erscheint machbar und interessant, der Körper erhält einen Energieschub und die Motivation steigt.
- Distress (negativen Stress) nehmen wir als überfordernd wahr. Wir sehen unüberwindbare Hindernisse, verlieren unsere Lösungskompetenz und fühlen uns unwohl.
Darüber hinaus gibt es traumatischen Stress, der nach extremen Ereignissen auftreten und eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge haben kann. Ein schwerer Sportunfall ist hier nicht zu unterschätzen: Treten beispielsweise nach einem Sturz Symptome wie Flashbacks, Angststörungen oder Schlafprobleme auf, weist das auf behandlungsbedürftige Probleme hin.
Wie äußert sich zu viel Stress?
Akuter Stress setzt durch die Ausschüttung von Adrenalin unmittelbar Energie frei, die sofort verwertet wird: Der Zustand hält nur kurz an. Chronischer Stress dagegen sorgt für eine andauernde Aktivierung und Anspannung, die langfristig auslaugt. Zu viel Stress beeinträchtigt die körperliche und psychische Gesundheit. Vor allem die Kombination von mehreren Faktoren kann das Fass zum Überlaufen bringen. Trifft beispielsweise Stress am Arbeitsplatz auf emotionalen Stress durch Beziehungsprobleme, sind langfristige Folgen möglich – zum Beispiel ein Erschöpfungszustand.
Im Anfangsstadium sind die Symptome oft diffus: Nackenverspannungen, Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden oder Reizbarkeit treffen uns alle immer mal wieder. Häufen sich die Beschwerden und treten sie sehr regelmäßig auf, deutet das auf zu viel Stress hin. Bei Sportlerinnen und Sportlern kann das Training ein Gradmesser sein. Keine Lust auf Laufen, Müdigkeit und Muskelschmerzen sind mitunter Hinweise auf ein Übertraining. Selbst, wenn du nicht mehr trainierst als sonst auch, ist eine Überlastung möglich, wenn zu viele negative Stressoren in deinem Leben auf einmal auftreten.
Welche Folgen hat Stress für den Körper?
Dauerstress macht krank – und das auf vielfältige Art und Weise. In der Anfangsphase zeigen sich leichte Symptome, die wir oft nicht ernst nehmen. Dazu gehören:
- Muskelverspannungen insbesondere im Nacken- und Schulterbereich – typisch für Stress am Arbeitsplatz
- Spannungskopfschmerzen, eventuell kombiniert mit leichten Schwindelgefühlen
- Herzklopfen und erhöhter Puls bereits bei kleinen Anstrengungen oder im Ruhezustand
- Verdauungsstörungen wie leichte Übelkeit, Durchfall, Magendrücken oder ein unangenehmes Völlegefühl
- Ein- und Durchschlafprobleme: Du findest schlecht in den Schlaf und wachst nachts öfter auf
Ziehst du jetzt die Notbremse und sorgst für mehr Ruhe und Entspannung, verschwinden solche frühen Folgen von Stress ohne bleibende Schäden.
Anders sieht es aus, wenn der Überlastungszustand unvermindert weitergeht. Bei chronischem Stress drohen ernsthafte Konsequenzen:
- anhaltende Schlafstörungen – erkennbar daran, dass du dich nach dem Aufwachen nicht mehr erholt fühlst
- anhaltende Erschöpfung – trotz ausreichend Ruhephasen bleiben Kraftlosigkeit und Müdigkeit
- chronische Verdauungsprobleme – du leidest ständig an Reizdarm, Sodbrennen, Magenbeschwerden oder sogar -geschwüren
- Schmerzsyndrome wie häufige Migräneattacken, starke Rücken- oder Nackenbeschwerden
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck mit steigendem Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall
- Stoffwechsel- und Immunstörungen – anhaltend hohe Stresshormonwerte fördern Diabetes und Übergewicht
- geschwächtes Immunsystem – Erkrankungen und Infekte treten leichter auf
- Hautprobleme und Haarausfall – auch Ekzeme oder die Schuppenflechte können bei starkem Dauerstress auftreten.
- hormonelle Dysbalancen wie Menstruationsstörungen
Welche Folgen hat Stress für die Psyche?
Bist du nur vorübergehend gestresst, macht sich das in "Allerweltssymptomen" bemerkbar, die mit Pausen einfach behebbar sind. Typische psychische Symptome in der Frühphase von Distress sind:
- Reizbarkeit, grundlose Nervosität und innerliche Unruhe – du hast eine kurze Zündschnur
- Konzentrationsprobleme: selbst einfache Aufgaben erscheinen dir schwieriger und du machst mehr Flüchtigkeitsfehler
- Vergesslichkeit: die Merkfähigkeit lässt immer mehr nach
- Unmotiviertheit: du hast zu nichts Lust und ein großes Ruhebedürfnis
Baust du den Stress nicht ab, verstärken und vermehren sich diese Beschwerden. Auch dein soziales Verhalten leidet darunter. Es kommt gegebenenfalls zu:
- starken Ängsten oder Panikattacken, die mit Herzrasen oder einem Engegefühl in der Brust einhergehen
- depressiven Symptomen wie ausgeprägterNiedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit oder Interessensverlust
- Leistungsabfall und Konzentrationsminderung – du fühlst dich ständig überfordert und bist unproduktiv
- Verhaltensänderungen: Du ziehst dich zurück, es kommt zu Konflikten im sozialen Umfeld oder zur Flucht in Suchtmittel
Welche Auswirkungen hat Stress speziell auf Sportler?
Akuter Stress wirkt auch im Sport leistungssteigernd. Die Adrenalin- und Cortisolausschüttung verbessert kurzfristig die Energie- und Blutversorgung: Das führt unter anderem zu mehr Explosivkraft (gut für Sprints) und erhöhter Konzentration (vorteilhaft auf technischen Trails). Zu viel und dauerhafter Stress ist jedoch für die körperliche Leistungsfähigkeit kontraproduktiv. Möglich sind:
- Motivationsverlust und fehlender Spaß am Sport – bis hin zu Burnout
- nachlassende Regenerationsfähigkeit
- Muskelabbau durch erhöhten Cortisolspiegel
- Beeinträchtigung der Bewegungsqualität und Feinmotorik
- verstärkter Open-Window-Effekt nach intensiven Belastungen
Das alles lässt deine Performance leiden und erhöht die Verletzungsgefahr. Mit einer durchdachten Belastungssteuerung im Training und Alltag kannst du gegensteuern.
Kann Stress stille Entzündungen auslösen?
Das Thema chronisch stille Entzündung ist in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung gerückt. In Studien wurde nachgewiesen, dass ein dauerhaft hohes Stresslevel "silent inflammation" begünstigt. Bei einer stillen Entzündung versetzt das Immunsystem die Abwehrzellen laufend in Alarmbereitschaft und es kommt zur Ausschüttung aggressiver freier Radikale: Das schädigt auf Dauer gesundes Gewebe, etwa die Gefäße. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt, ebenso für Autoimmunerkrankungen und Krebs. Auch das Gehirn kann in Mitleidenschaft gezogen werden – Stress überaktiviert die Amygdala, die Entzündungsstoffe freisetzt. Durchbrechen lässt sich dieser Teufelskreis am besten durch stressabbauende Maßnahmen.
Wie baue ich Stress am besten ab?
Das Zauberwort lautet Selbstregulation. Hältst du die negativen Stressoren in deinem Leben auf einem möglichst niedrigen und die positiven auf einem hohen Niveau, sorgst du für ein gesundes Gleichgewicht. Überhaupt kein (Eu)stress ist auch keine Lösung: Unterforderung kann zum sogenannten Boreout-Syndrom führen, das ähnliche Folgen wie ein Burnout haben kann. Die Strategien zur Stressbewältigung sind sehr individuell.
Ein unstrittiges Erfolgsrezept ist Bewegung. Das kann, muss aber kein Sport sein: Ein Waldspaziergang ist oft effektiver als eine Trainingsrunde, zu der du dich zwingen musst. Kleine, über den Tag verteilte Pausen mit Dehnübungen und viel Alltagsbewegung sind oft effektiver als ein umfangreiches Weekend Warrior Workout.
Darüber hinaus kann ein gezieltes Mentaltraining helfen, um resilienter gegen Stress zu werden. Bei akuten Symptomen wirken Entspannungsverfahren wie Meditation, autogenes Training, Atemübungen oder progressive Muskelrelaxation entlastend. Ein Treffen mit Freunden, guter Schlaf und eine gesunde Portion Humor tragen ebenfalls zur Stressreduktion bei.
Ist Sport gut, um Stress abzubauen?
Körperliche Aktivität ist sogar eine der effektivsten Methoden – du kannst dem Stress davonlaufen. Das klappt aber nur, wenn die Intensität stimmt. Die Kunst ist es, in den Körper hineinzuhorchen. Braucht er eher eine Pause, eine ruhige Einheit oder ist ein Abreagieren bei einem Tempotraining genau das Richtige? Bist du unsicher, bieten objektive Messwerte wie die HRV eine Orientierung. Viele Laufuhren zeigen dir über diesen Parameter das Stresslevel an.
Hast du gerade viele offene Baustellen in deinem Leben, ist bei Wettkampfsport Vorsicht geboten. Gerade bei ambitionierten Zielen kann der Stress insgesamt zu hoch werden und mit selbst gemachtem Leistungsdruck könntest du dich abschießen. Bist du ständig müde, gereizt, verletzungs- oder infektanfällig, empfehlen sich eher lockere Läufe als ein hartes Vorbereitungsprogramm für das nächste Laufevent. Sehr intensiver Sport flutet den Körper mit freien Radikalen, die bei Stress ohnehin verstärkt gebildet werden. Tipp am Rande: Neben Entspannung hilft eine antioxidantienreiche Ernährung. Diese Verbindungen agieren als Radikalfänger.

Fazit: Lieber Spaß als Stress durch Sport
Um Stress abzubauen, gibt es viele Wege. Laufen in verträglichen Maßen gehört zu den besten Therapien, aber auch jede andere Form der Bewegung ist hilfreich. Wichtig ist, dass dir Joggen, Radfahren, Schwimmen oder Krafttraining Freude bereiten. Beim ein oder anderen Training darf der innere Schweinehund überwunden werden, das sollte aber kein Dauerzustand sein. Oft unterschätzt bei der Stressbewältigung sind die kleinen Dinge. Mikropausen im Alltag, einfach mal tief durchzuatmen und abends noch mal kurz um den Block zu gehen, minimieren die negativen Folgen von Stress. © Runner’s World