Bremsstaub könnte eine größere Gesundheitsgefahr darstellen als die Abgase moderner Dieselmotoren – das zeigt eine aktuelle Studie der University of Southampton.
Fahrzeuge mit Verbrennermotoren stehen besonders wegen ihrer schädlichen Abgase in der Kritik. Die zunehmende Verbreitung von alternativen Antriebsarten – allen voran die Elektromobilität – soll die Abgase und Feinstaubpartikel in der Luft reduzieren. Doch dieser Feinstaub stammt nicht allein aus Abgasen der Verbrenner.
Eine neue Studie der University of Southampton im Vereinigten Königreich zeigt, dass Bremsabrieb möglicherweise eine größere Gesundheitsgefahr darstellt als die Emissionen moderner Dieselmotoren. Während Dieselabgase durch strenge Umweltauflagen stark reduziert wurden, bleiben Partikel aus Bremsbelägen weitgehend unreguliert – obwohl sie tief in die Lunge eindringen und gesundheitliche Schäden verursachen können.
Ablauf der Studie
Die Studie untersuchte die Auswirkungen von Partikelemissionen verschiedener Bremsbeläge auf die Gesundheit der Atemwege. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen der chemischen Zusammensetzung der Bremsbeläge und der Toxizität der freigesetzten Partikel zu verstehen. Dafür wählten die Forscher vier verschiedene Bremsbelagtypen aus: niedrigmetallisch, halbmetallisch, organisch ohne Asbest und eine Hybrid-Keramik-Variante.
Mithilfe spezieller Messtechniken sammelten die Wissenschaftler die beim Bremsvorgang entstehenden Feinstaubpartikel, insbesondere solche mit einer Größe unter PM 2.5, ein. Anschließend brachten sie diese Partikel in Laborexperimenten auf menschliche Lungenzellen auf, um deren Auswirkungen auf Entzündungsreaktionen und Zellschädigung zu analysieren. Die Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse darüber, wie Bremsabrieb die Luftqualität beeinflusst und welche Materialien potenziell gesundheitsschonender sind. Insbesondere Bremsbeläge ohne Asbest führten zu stärkeren Entzündungsreaktionen in menschlichen Lungenzellen.
Feinstaub durch Bremsen giftiger als Dieselruß?
Die Gefahr liegt in der Zusammensetzung der Partikel. Während moderne Partikelfilter in Dieselmotoren bis zu 99 Prozent der Rußpartikel aus den Abgasen entfernen, besteht Bremsstaub aus einer Mischung feinster Metallpartikel – darunter Kupfer, Eisen und Antimon. Diese Stoffe dringen durch das Einatmen tief in die Lunge ein, wo sie, wie oben beschrieben, entzündliche Reaktionen auslösen können. Langfristig erhöht dies das Risiko für Atemwegserkrankungen und möglicherweise sogar für Herz-Kreislauf-Probleme.
Die Reduzierung von Motorabgasen durch strenge Regulierungen in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass Bremsabrieb mittlerweile eine der Hauptquellen für verkehrsbedingten Feinstaub ist. Laut einer Analyse, die das Magazin Carscoops durchgeführt hat, entsteht ein signifikanter Teil der Luftverschmutzung in Städten nicht mehr durch den Antrieb, sondern durch den Verschleiß von Bremsbelägen und Reifen. Besonders problematisch ist, dass diese Partikel nicht durch klassische Partikelfilter erfasst werden und daher ungehindert in die Luft gelangen.
Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Das steigende Fahrzeuggewicht. Moderne Fahrzeuge, insbesondere Elektroautos, sind oft schwerer als frühere Modelle mit Verbrennungsmotor. Mehr Gewicht bedeutet jedoch höhere Bremskräfte, was zu verstärktem Abrieb und damit einer zusätzlichen Freisetzung von Feinstaub führt. Die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen könnte somit paradoxerweise zur schlechten Luftqualität beitragen, wenn keine neuen Lösungen für das Bremsproblem gefunden werden.

Wie lassen sich Brems-Emissionen verringern?
Während der Schadstoffausstoß von Motoren durch strenge Vorgaben reguliert ist, gibt es für Bremsstaub bislang keine vergleichbaren gesetzlichen Grenzwerte. Das könnte sich in Zukunft ändern, denn die Studie könnte den Druck auf Automobilhersteller und Gesetzgeber erhöhen, auch den Feinstaub aus Bremsen stärker zu regulieren.
Einige Hersteller setzen bereits auf technologische Innovationen, um die Problematik zu entschärfen:
- Regenerative Bremsen: Elektrofahrzeuge nutzen bereits häufig rekuperatives Bremsen, bei dem die Bremsenergie zur Aufladung der Batterie genutzt wird. Dies reduziert die Nutzung der mechanischen Bremsen und somit den Bremsstaub.
- Keramikbremsen: Hochleistungsfahrzeuge setzen oft auf Keramik-Bremsscheiben, die langlebiger sind und weniger Abrieb erzeugen. Ihr Einsatz in Serienfahrzeugen könnte die Staubbelastung deutlich reduzieren.
- Filterlösungen für Bremsen: Erste Hersteller experimentieren mit Feinstaubfiltern an Bremssystemen, die den entstehenden Staub direkt auffangen, bevor er in die Luft gelangt.
Die Autoindustrie ist also dabei, nach wirksamen Lösungen für den Bremsstaub zu suchen, doch bis diese in Serienfahrzeugen zum Einsatz kommen, dürfte es noch eine Weile dauern. © auto motor und sport