Performance-Boost auf "Knopfdruck" für den Wettkampf – das geht auch ohne Doping. Die Wissenschaft sagt: Mit diesen Produkten holst du ganz legal mehr Leistung raus.
Die Leistungsdichte an der Weltspitze im Radsport ist hoch. Oft gibt weniger als ein Prozent Leistungsunterschied den Ausschlag zwischen Sieg und Niederlage. Deshalb stellen sich Radprofis wie auch Amateure häufig die Frage: Was macht mich am Renntag noch das entscheidende Quäntchen besser? Sei es, um im Kampf um den Sieg mitzumischen. Oder aber, um eine persönliche Bestzeit zu erzielen.
Dabei geht es nicht um die Einnahme von verbotenen Substanzen, die sich auf der Liste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) wiederfinden. Sondern um legal zugelassene Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel, die wissenschaftlich gut erforscht und gesundheitlich unbedenklich sind. Die Einnahme von leistungssteigernden Substanzen ist, gerade im Radsport, aufgrund des über viele Jahre betriebenen Missbrauchs bis heute vorbelastet. Deshalb machen sich viele Sportler zurecht Gedanken, wenn Hersteller mit "Leistungssteigerung auf Knopfdruck" werben. Und stellen sich gleichzeitig die Fragen: "Was ist erlaubt? Und was bringt mich wirklich weiter?"
In diesem Artikel wollen wir uns einige dieser zugelassenen Supplemente genauer anschauen: Wie wirken sie im Körper? Wie sollten sie dosiert werden? Was bringen sie wirklich? Gibt es unerwünschte Nebenwirkungen? Alle hier vorgestellten Substanzen haben einen hohen Evidenzgrad, wurden also wissenschaftlich gut erforscht.
Des Weiteren handelt es sich dabei, wie der Name sagt, um Nahrungsergänzungsmittel, die keinesfalls eine vollwertige Ernährung ersetzen können, welche neben dem Training und der Regeneration die Grundlage der Leistungsfähigkeit darstellt. Vielmehr sind diese Produkte Zusätze zu einer sportgerechten, ausgewogenen Ernährung. Im Training wie auch im Wettkampf sind und bleiben Flüssigkeits- und Kohlenhydratzufuhr die wichtigsten Punkte, wenn es um die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit geht.
Welche der Produkte individuell besonders gut taugen, hängt zudem stark vom Charakter des Wettkampfes ab. Rote Bete beispielsweise liefert vor allem bei sehr langen Belastungen wie mehrstündigen Radmarathons vielversprechende Studienergebnisse. In kürzeren, intensiveren Disziplinen wie Kriterien, Rundstreckenrennen oder Cyclocross-Wettkämpfen profitieren Athleten potenziell stärker von der Einnahme von Bicarbonat. Für alle Produkte gilt: Sie sollten unbedingt vorab im Training getestet werden und keinesfalls im Wettkampf erstmals zum Einsatz kommen. Nur so kann die individuelle Dosierung und Verträglichkeit im Vorfeld ausgelotet werden.
Diese Mittel steigern deine Leistung
Rote Bete
Info
- Enthalten in: Rote Bete (am Stück und als Saft), Kapseln, Pulverform
- Erhältlich wo: Lebensmittelgeschäft, Drogeriemarkt, Sportnahrungsmittel-Hersteller
- Preis: ca 0,90 Euro für 0,5 l Saft
Anwendung/ Dosierung
- ca. 500–600 ml Rote-Bete-Saft pro Tag
- wirkt bis ca. 150–180 Min. nach Einnahme
- für akute Effekte ca. 90 Min. vor Start einnehmen
- tägl. Einnahme (mind. sechs Tage) für langfr. Effekte
Rote Bete enthält neben zahlreichen Vitaminen und Mineralstoffen einen hohen Anteil Nitrat. Dieses wird im Körper zu Nitrit und dann zu Stickstoffmonoxid (NO)umgewandelt. NO erweitert die Blutgefäße, sorgt so für mehr Durchblutung und verbessert den Sauerstofftransport. So wird weniger Sauerstoff bei gleicher Belastung benötigt und die maximale Sauerstoffkapazität (VO2max) später erreicht – die Leistung kann länger erbracht werden. Der prozentuale Leistungszuwachs hängt von Länge und Intensität der Belastung sowie von Alter, Physiologie und Trainingszustand ab. Daher ist die Höhe der Leistungssteigerung wissenschaftlich umstritten. Wilkerson et al. (2012) stellten lediglich eine sehr geringe 0,8-prozentige Verbesserung der 80-km-Leistung bei trainierten Radsportlern fest. Thompson et al. (2014) hingegen kamen auf 16 Prozent Zuwachs, indem sie trainierte Radsportler zunächst 40 Minuten unterhalb der Laktatschwelle fahren ließen, gefolgt von einer überschwelligen 90-%-VO2max-Belastung bis zur Erschöpfung. Andere Studien konnten hingegen rund acht Prozent mehr Leistung nachweisen. Konsens der Forschung: Rote Bete zeigt seinen Nutzen vor allem bei längeren Einheiten wie etwa Radmarathons. Häufig äußert sich die Verbesserung vor allem in einer höheren Effizienz, also in mehr Watt bei gleicher Sauerstoffaufnahme. Ob Rote Bete langfristig auch die Schwellenleistung steigert, ist bislang unklar. Hinweis: Eine rötliche Färbung von Stuhl und Urin ist bei mehrtägiger Einnahme normal.
👍 Pro
■ verbesserter Sauerstofftransport
■ gesteigerte Effizienz
■ höhere Ausdauer
■ keine an Menschen nachgewiesenen Nebenwirkungen
👎 Contra
■ Geschmackssache
■ Einnahme für mind. sechs Tage am Stück für mittel- und langfristige Effekte
Leistungszuwachs: bis zu 16 Prozent
Kosten/ Nutzen: 🟢🟢🟢🟢⚪
Ketone
Info
- Enthalten in: Trinkmixen (z. B. Ketone-IQ von HVMN)
- Erhältlich wo: Online-Handel
- Preis: ca. 50 Cent bis 1 Euro / Gramm | 56,31 Euro z. B. bei HVMN (Ketone-IQ) für 10 Port. á 10 g
Anwendung/ Dosierung
- 10–20 g / Tag oder Portion
- entweder im späten Verlauf eines langen Rennens als zusätzliche Energiequelle einnehmen, wenn sich die Glykogenspeicher dem Ende zuneigen (Kohlenhydrate zusätzlich wie gewohnt trotzdem weiter zuführen!)
- oder im Anschluss an die Belastung für eine bessere Regeneration einnehmen
- chronische Einnahme bislang kaum erforscht
Die Ketonkörper R-Beta-Hydroxybutyrat (Beta-HB) werden im Körper natürlicherweise bei längeren Fastenperioden gebildet, wenn die Kohlenhydratverfügbarkeit reduziert ist. Da Fasten und ein Verzicht auf Kohlenhydrate im Sport nicht ratsam sind, werden Ketone von außen zugeführt, um deren Vorteile zu nutzen. Im Wesentlichen werden den Ketonen drei positive Effekte zugeschrieben: Sie verbessern die kognitiven Funktionen (z. B. Wahrnehmung, Gedächtnis oder Kommunikation), da sie im Gegensatz zu Fetten die Blut-Hirn-Schranke überwinden und somit dem Gehirn eine zusätzliche Energiequelle neben den Kohlenhydraten bieten. Zweitens erhöhen sie die Leistungsfähigkeit durch Schonung der Glykogenreserven und verbessern den aeroben Stoffwechsel sowie die Gewebeversorgung (Kapillarisierung). Drittens unterstützen sie die Regeneration aufgrund schnellerer Füllung der Glykogenspeicher, verbessertem Muskelaufbau und geringerem Proteinverbrauch. Die Effekte auf die sportliche Leistungsfähigkeit konnten wissenschaftlich jedoch nur teilweise belegt werden: Eine häufig zitierte und bis heute wegweisende Studie stammt von Cox et al. (2016): Hier verbesserte sich die zurückgelegte Distanz bei einem 30-Minuten-Zeitfahren nach Keton-Gabe um zwei Prozent. Allerdings konnten diese Ergebnisse so in folgenden Studien nicht konsequent bestätigt werden. Teils wurden sogar Leistungseinbußen gemessen, was häufig auf Keton-bedingte Magen-/Darm-Beschwerden zurückzuführen war. Positive Effekte zeigen sich in der Regel besonders bei langen, mehrtägigen Belastungen, weshalb viele Radprofis auf Ketone schwören. Evans et al. (2023) und Pofflé et al. (2023) stellten zudem eine erhöhte körpereigene EPO-Produktion durch Ketone fest. Dadurch wird die Zahl der roten Blutkörperchen erhöht und mehr Sauerstoff kann in die Muskeln befördert werden. Zwar gilt jede direkte Einnahme von EPO im Sport als Doping. Die Einnahme von Ketone ist aber bisher erlaubt – es kann jedoch sein, dass die WADA künftig die Regeln verschärft.
👍 Pro
■ Schonung der Glykogenreserven
■ schnellere Regeneration
■ fördern die kognitiven Fähigkeiten
■ verbessern die Sauerstoffversorgung der Muskeln
■ bessere Gewebeversorgung
👎 Contra
■ teils stärkere Magen-/Darm-Probleme
■ sehr teuer
■ Evidenz teils unklar
Leistungszuwachs: bis zu 2 Prozent
Kosten/ Nutzen: 🟢⚪⚪⚪⚪
Bicarbonat
Info
- Enthalten in: Backpulver, Speisenatron, Kapseln (magensaftresistent), Hydrogel
- Erhältlich wo: Drogeriemarkt, bei verschiedenen Sportnahrungsmittel-Herstellern
- Preis: z. B. Mnstry Bicarb (100 Kapseln à 1 g Bicarbonat für 20 Euro)
Anwendung/ Dosierung
- zwischen 0,2–0,3 g / kg Körpergewicht
- Einnahme in zwei Portionen: (ca. 3 Std. vor dem Wettkampf zur Hauptmahlzeit und
- 60–90 Min. vor dem Wettkampf zu einem kleinen Snack)
Bicarbonat kann die Übersäuerung der Muskulatur bei starker Laktatproduktion verzögern. Als Puffersystem sorgt es dafür, dass der pH-Wert im Blut auch bei hohen Anstrengungen möglichst stabil bleibt. Bicarbonat ist ein Salz der Kohlensäure und kann durch seine basische Wirkung das saure Milieu des Magens stören – Magenprobleme sind dann die Folge. Deshalb ist von der Backpulver- oder Speisenatron-Einnahme abzuraten. Besser ist es, Bicarbonat in magensaftresistenten Kapseln oder als Hydrogel einzunehmen, damit es seinen Zielort, den Dünndarm, unbeschadet erreicht. Die Wirkweise ist zwar nicht zu 100 Prozent geklärt, es wird jedoch davon ausgegangen, dass durch die Stabilisation des pH-Werts die Laktattransporter MCT4 und MCT1 die Milchsäure schneller aus dem Muskel heraus ins Blut befördern können. Dadurch steigt das Glykolysepotenzial: Der Körper kann mehr Energie aus Kohlenhydraten gewinnen, ohne dass der Muskel übersäuert und "zumacht". Aufgrund dieser Zusammenhänge scheint es, dass Sportler besonders bei hohen, wiederkehrenden Belastungen zwischen 30 Sekunden und zwölf Minuten – etwa bei Kriterien oder Rundstreckenrennen bzw. hochintensiven Intervallserien im Training – von einer Bicarbonat-Einnahme profitieren. Verschiedene Studien mit Läufern und Radfahrern stellten Verbesserungen bei der Einnahme von Bicarbonat gegenüber Placebos von 1,1 bis sechs Prozent fest. Im Radmarathon-Einsatz ist der potenzielle Nutzen hingegen eher gering.
👍 Pro
■ besserer anaerober Stoffwechsel
■ höhere Leistungsfähigkeit bei wiederholten, hochintensiven Belastungen
👎 Contra
■ unangenehmes Magen-/Völlegefühl
■ teilweise viel höhere Belastungen möglich, kann zu Überlastung führen
■ teils sehr teuer
Leistungszuwachs: bis zu 6 Prozent
Kosten/ Nutzen: 🟢🟢🟢⚪⚪
Koffein
Info
- Enthalten in: affee, Tee, Cola, Energydrinks, Schokolade, Tabletten, Gels, Kaugummi
- Erhältlich wo: Lebensmittelgeschäft, Sportnahrungshersteller, Drogerie, Apotheke
- Preis: etwa 15 Euro pro Kilo Kaffee (ca. 140 Portionen), 10 Euro für 20 Tabletten, 1,50 € für eine Dose Red Bull, ca. 2 Euro pro Koffein-Gel
Anwendung/ Dosierung
- 3–6 mg/kg Körpergewicht für ausdauerspezifische Effekte
- mehr als 4 mg/kg kann zu Grenzwertüberschreitung, mehr als 6 mg/kg zu Nebenwirkungen führen
- Einnahme ca. 60 Min. vor dem Start
- max. Effekt 30–120 Min. nach Einnahme, Wirkungsdauer: 4–6 Std.
Viele nutzen Koffein als morgendlichen Wachmacher in Form von Kaffee oder Tee. In höherer Dosierung hat es zudem positive Wirkung auf die sportliche Leistungsfähigkeit, was vor allem im Ausdauersport wissenschaftlich sehr gut belegt ist. Aufgrund der deutlich nachweisbaren Leistungssteigerung wurde Koffein im Jahr 2000 auf die Dopingliste der WADA gesetzt, 2004 jedoch wieder zugelassen und ein Grenzwert von 12 µg/ml Urin festgelegt. Je nach Sportler wird dieser bei einer Koffein-Einnahme von etwa 4–8 mg/kg Körpergewicht erreicht. Für einen 80 kg schweren Athleten entspricht das ca. vier bis acht Tassen Espresso – also sehr viel Kaffee auf einmal (siehe Tabelle unten).
Koffein verhindert, dass Adenosin als "Müdemacher" die Glückshormone Serotonin und Dopamin hemmt. Dadurch fühlen wir uns wacher, die Konzentration steigt. Zusätzlich werden durch Koffein mehr freie Fettsäuren freigesetzt und so der Fettstoffwechsel angekurbelt, während die Glykogenreserven geschont werden. In wissenschaftlichen Arbeiten zeigt sich weitgehend eine Leistungsverbesserung zwischen zwei und vier Prozent, die dafür notwendige Menge ist abhängig vom Körpergewicht. Ebenso entscheidend: das Timing und die Art des Präparats. Koffein-Kaugummis wirken beispielsweise deutlich schneller als Koffein-Tabletten. Entgegen der weit verbreiteten Meinung scheint eine vorherige Kaffee-Abstinenz nicht nötig zu sein. Die Einnahme von 3 bis 6 mg/kg Koffein steigert studienübergreifend die Leistung – selbst bei regelmäßig Kaffee trinkenden, trainierten Radfahrern. Eher schränken mögliche Entzugssymptome (Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit) die unmittelbare Vorbereitung auf den Wettkampf stärker ein. Eine Kombination aus 100 mg Koffein und 45 g Kohlenhydraten während der Belastung (wie in einem Koffein-Gel) zeigte bei Hogervorst et al. (2008) eine zusätzliche Verbesserung der sportlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit bei gut trainierten Radfahrern.
👍 Pro
■ Stimulation des zentralen Nervensystems
■ verbesserte Muskelkontraktion
■ verringertes Anstrengungsempfinden
■ fördert die Konzentration, macht munter
👎 Contra
■ evtl. reduzierteEffekte bei regelmäßigem Konsum
■ Magen-/Darm-Probleme (vor allem bei hochdosierter Tablettenform)
■ erhöhteHerzfrequenz
■ schlechtere Schlafqualität
■ evtl. Krämpfe
Leistungszuwachs: bis zu 4 Prozent
Kosten/ Nutzen: 🟢🟢🟢🟢🟢
So viel Koffein steckt in...
- 200 ml Filterkaffe ➡ 90 mg
- Espresso (50 ml) ➡ 80 mg
- Koffeintablette ➡ 200 mg
- Dose Cola (355 ml) ➡ 40 mg
- Energydrink (250 ml) ➡ 80 mg
- 220 ml Schwarzer Tee ➡ 50 mg
- Zartbitterschokolade (100 g) ➡ 40 mg
- Koffeinkaugummi ➡ 50 mg
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