Große Pläne bei Kawasaki. Bisher bekannt für Motoren in Zweirädern, steht großes bevor. Im Plan sind neue Reihenmotoren mit bis zu 2,1 Liter und 375 PS. Und das sind die "kleinen" Motoren.

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Kawasaki dürfte ein Begriff sein. Ebenfalls dürfte niemandem fremd sein, dass Kawasaki in der Breite Motorräder baut. Und hier sind Hubräume über 1,8 Liter seltene Ausnahme. Und das Aufladen von Motoren mit Turbos ist bei Motorrädern aus vielen Gründen weder eine gute Idee noch eine einfach umzusetzende. Mit Kompressoren hat Kawasaki in den Zweirad-Antrieben allerdings Erfahrung und Erfolg.

Umso überraschender sind die jüngst vorgestellten neuen Reihenmotoren mit bis zu 6 Zylindern von Kawasaki, mit bis zu 2,1 Liter Hubraum und Turbo.

Warum gibt es keine Turbos in Motorrädern?

Korrekt, es gab eine kurze Phase von Motorrädern mit Turbo. Honda, Yamaha und Kawasaki wagten sich in den Roaring 80’s daran, Motoren zwischen 500 und 900 Kubik per Turbo aufzuladen. Die vom Auto bekannten Probleme des Turbolochs mit anschließendem steilem Anstieg des Drehmoments sind auf 2 schmalen Reifen noch schlechter zu handeln als auf 4 breiten. Und das deutlich verzögerte Ansprechverhalten ist für Fahrzeuge, die oft in Schräglage fahren, mehr Gefahr als nur störendes Beiwerk. Hinzu kam und kommt heute noch: Der Turbo liegt vor dem Motor im Abgastrakt und muss auf sehr engem Weg die aufgeladene Luft um den Motor führen in Richtung Gemischbereitung, die bei einem Motorrad kaum Platz benötigen darf.

Video: Bloch erklärt: Motor-Öl Co.

Sechszylinder und 375 PS in Motorrädern

Wer über die anderen großen Zahlen dieser Motoren stolpert, der sei hiermit gefangen. Sechszylinder-Motoren, Hubräum um oder über 2 Liter sind in modernen Motorrädern keineswegs selten oder ungewöhnlich. BMW hat einen Sechyzlinder in Reihe mit knapp 1,7 Liter im Program, Honda treibt die Gold Wind per Boxer mit 1,8 Liter. Und selbst über 2 Liter Hubraum mit nur 2 Zylindern sind bei Harley-Davidson "fast" normal.

Deutlich über 300 PS sind trotzdem die Ausnahme und dann nicht straßenzugelassen. In der H2R – das Motorrad aus dem Film Top Gun II Maverick – erlaubt Kawasaki die Leistung per Kompressor aus 999 Kubik, die Zulassungsordnung allerdings nicht. Kawasaki könnte mit diesen neuen Motoren also Motorräder antreiben und wäre nicht unbedingt alleine.

Interessante Doppelzündung

Die Bilder der Motoren weise allerdings Motorrad-untypische Merkmale auf. Zum einen fällt das enorme Kurbelgehäuse mit integrierten Nebenaggregaten auf. Beim Motorrad wären Anlasser, Lichtmaschine, Öl-System und so weiter eher peripher konstruiert, für ein flexibleres Packaging des Antriebs. Zum anderen fällt die ungewöhnliche Doppelzündung auf. Die ist zwar beim Motorrad- und beim Automotor nichts Neues, doch 2 direkt nebeneinander platzierte Zündkerzen mit je einer Zündspule helfen dem harmonischeren Durchzünden des Gemischs nicht.

Passend dazu: Kawasaki konstruiert den neuen Motor mit vier und sechs Zylindern mit Bohrungen von nur 73,4 und 76 Millimetern. Eigentlich sind für diese Durchmesser noch keine Doppelzündungen nötig. Allerdings ergibt im Kontext Hub-Bohrungsverhältnis das große Kurbelgehäuse Sinn, denn mit 76 Millimeter Hub beim 6-Zylinder und 59 beim 4-Zylinder, sind die Motoren eher auf Drehmoment als auf Drehzahl getrimmt. Passend entsprechen: die Spitzenleistungen von 200 und 375 PS liegen schon bei 8.500/min an.

Das dürften kaum Motoren für Zweiräder sein und die Angabe der maximalen Flughöhe von 7,6 Kilometer schließen die meisten Autos ebenfalls aus.

Video: Im Video

Kawasaki baut erstmals Flugzeugmotoren

Die Lösung: Kawasaki baut erstmals in der 129 Jahre zählenden Geschichte Motoren für Propellerflugzeuge der zivilen Luftfahrt. Zwar betont Kawasaki, dass die neuen Motoren irgenwie mit dem bereits erwähnten Kompressor-Antrieb der H2R "verwandt sind", aber darauf weist sonst nichts hin. Jedoch passen diese neuen Motoren in die Strategie von Kawasaki, denn der Einsatz von Wasserstoff an direkter oder indirekter Treibstoff per E-Fuel ist geplant, allerdings erst nach 2023. Die konventionellen Verbrenner sollen ab 2025 in Testläufe, Entschuldigung Testflüge, gehen.

Der Einsatz als direkter Antrieb von Propellern ist wohl erst einmal nur dem 6-Zylinder erlaubt, denn der hat ein integriertes Getriebe, das die Antriebsdrehzahl auf maximal 2.800/min beschränkt. Die Vierzylinder sollen dem Vernehmen nach entweder als Generatoren für E-Antrieb fungieren oder mit entsprechendem Anbau kleinere Helikopter antreiben.

Und dieser Umstand erklärt auch die enorm großen Einzelturbolader, die beim Vierzylinder die Leistung um 70 Prozent von 117 auf 200 PS steigern und dem Sechszylinder von 240 auf 375 PS helfen, was 56 Prozent Zuwachs entspricht. Derartige Turbos benötigen konstante Drehzahlen, um den optimalen Druck aufzubauen.

V12 mit 9 Liter und 1.360 PS

Ebenfalls im Plan, allerdings noch weit weg: Kawasaki will Flugmotoren bauen, die auf 12 Zylinder in V-Bauweise verteilt 9 Liter Hubraum messen und per Turbo runde 1000 Kilowatt, also 1.360 PS leisten. Und die Reihenmotoren mit 6 Zylindern sollen in der weiteren Entwicklung bis zu 4,5 Liter messen und 608-Turbo-PS leiten.

Und trotz dieser schieren Leistung möchte Kawasaki mit diesen modernen Antrieben den Verbrauch im Luftverkehr um 30 bis 50 Prozent senken. Das Problem aktueller Antriebe ist, dass die Grundkonstruktionen – meist als Boxer-Motor konstruiert – teils sehr alt sind und in den späten 1950er-Jahren zugelassen wurden.

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Da eine Zulassung als Flugmotor allerdings kostspielig ist, werden die Grundmuster heute noch verbaut. Im Falle des Lycoming Motors, der viele Cessna antreibt als Stößelstangen-Boxer, also die einfachste und ineffizienteste Art, einen Ventiltrieb zu steuern. Und Kawasaki will mit den neuen, deutlich leichteren Motoren punkten.  © auto motor und sport