Im Straßenverkehr lauern oft Gefahr, Frust und Streit. Lesen Sie hier aktuelle und aufschlussreiche Urteile sowie Infos aus dem Verkehrsrecht. Zwist auf den Straßen beschäftigt tagtäglich deutsche Gerichte. Bei den Urteilen handelt es sich zwar meist um Einzelfallentscheidungen, doch sind sie lehrreich und vielfach auch Warnung. Ein kleiner Moment der Unachtsamkeit im Straßenverkehr kann schlimme Folgen haben. Und es kursieren viele Irrtümer zum Verkehrsrecht, wie die folgenden Fälle zeigen.
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Wer keine Erste Hilfe leistet, macht sich strafbar
Update vom 3. Juni: Wer Verletzten etwa nach einem Verkehrsunfall nicht unverzüglich die bestmögliche, den eigenen Fähigkeiten entsprechende Erste Hilfe leistet, macht sich laut der "Motorwelt", die Clubzeitschrift des ADAC, strafbar. Laut Strafgesetzbuch ist jeder Mensch dazu verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten.
Wie umfangreich die Hilfe am Unfallort bis zum Eintreffen der Rettungskräfte aussieht, hängt auch davon ab, was man körperlich leisten kann. Erste Hilfe kann aber auch darin bestehen, den Notruf 112 überhaupt zu wählen.Wer das bewusst nicht macht und weiterfährt, riskiert Geld- oder sogar Gefängnisstrafen.
Auch können Ersthelfer grundsätzlich nicht für Schadenersatz im Zusammenhang mit der Hilfe belangt werden. Wer Erste Hilfe leiste, stehe unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. (dpa)
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Vor abgesenktem Bordstein falsch geparkt und abgeschleppt - Ist das rechtens?
Update vom 2. Juni: Wer sein Auto falsch vor einem abgesenkten Bordstein parkt, muss damit rechnen, dass das Fahrzeug abgeschleppt wird. Auch wenn von dem abgestellten Wagen keine konkrete Gefahr oder Behinderung ausgeht. Das zeigt ein Urteil des Verwaltungsgerichts München, auf das der ADAC hinweist (Az.: M 23 K 21.5650).
- Der Fall: Im konkreten Fall hatte eine Frau ihr Auto auf der Höhe eines Friedhofes vor einem abgesenkten Bordstein geparkt. Dort markierte auch noch eine Zickzacklinie diesen Bereich. Allerdings waren hier weder eine Einfahrt noch ein Zugang zum Friedhof gelegen. Die Frau konnte nicht zeitnah ermittelt werden, sodass die Polizei ihr Auto abschleppen ließ. Die Kosten in Höhe von 340 Euro wurden ihr in Rechnung gestellt. Das wollte sie nicht akzeptieren. Das Abschleppen sei unverhältnismäßig gewesen, so ihre Meinung. Denn sie hätte weder andere Verkehrsteilnehmer behindert noch wären Park- oder Halteverbotsschilder vorhanden gewesen. Sie klagte.
Ohne Erfolg allerdings. Das Gericht wies die Klage ab. Denn in dessen Augen hatte die Frau klar gegen das Parkverbot vor einem abgesenkten Bordstein verstoßen. Demnach kommt es nicht auf eine konkrete Gefährdung oder Behinderung anderer an.
Denn: Solche Stellen seien auch als Übergangshilfe für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Gehhilfe oder mit Kinderwagen gedacht. Und die Stelle dafür zu nutzen, sei durch das Falschparken nicht mehr möglich gewesen. (dpa)
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Rumms gegen offene Autotür: Wer hat Schuld?
Update vom 1. Juni: Im Straßenverkehr ist es eine alltägliche Situation: Eine Autotür steht offen, weil jemand etwas auslädt. Kracht aber ein vorbeifahrendes Auto gegen die geöffnete Tür, ist nicht immer so leicht zu beantworten, wer Schuld hat.
Das zeigt ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken (Az.: 3 U 9/23), auf das der ADAC hinweist. Der Fall: Weil er Sachen von der Rücksitzbank seines Leasingautos holen wollte, hatte ein Mann die hintere Tür zur Straße hin geöffnet. Während der Mann im Auto am Kramen war, fuhr ein anderer Wagen gegen die geöffnete Tür. Um die Schuldfrage entbrannte danach ein Streit.
Kontroverse um die Türfrage
Die Argumente der einen Seite: Der Unfallfahrer habe nicht genug Seitenabstand gehalten. Die Tür sei schon länger einen Spaltbreit offen und somit erkennbar gewesen. Die andere Seite entgegnete: Der Fahrer sei langsam und mit ausreichend Abstand vorbeigefahren. Doch die Tür hätte sich plötzlich weiter geöffnet - genau in dem Moment, als das Auto auf Türhöhe war. Nur deshalb habe es gekracht.
Das Gericht entschied: Beide haben einen Punkt, und beide haben Schuld. Eine Haftungsteilung sei angesichts der "beiderseitigen Sorgfaltsverstöße" angemessen.
Was Autofahrer aus dem Urteil ziehen können
Konkret hieß es in Richtung des Türöffners: Wer ein- oder aussteigt, müsse sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen sei. Das diene vor allem dem Schutz des Fließverkehrs. Hier sei also ein "Höchstmaß an Sorgfalt" gefordert - auch beim Ausladen.
In Richtung des Autofahrers, der mit seinem Wagen gegen die Tür gekracht war, hieß es: Er habe keinen ausreichenden Seitenabstand eingehalten. Und es lässt sich laut ADAC auch Folgendes ableiten: Wer wahrnimmt, dass eine Autotür geöffnet ist und sich eine Person in das Fahrzeug hinein beugt, muss damit rechnen, dass die Tür in Bewegung geraten könnte. Also lieber in einem größeren Bogen ausweichen. (dpa)
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Wenn Falschparken richtig teuer wird
Update vom 31. März: Falschparken kann teuer werden: Wer etwa in zweiter Reihe parkt und dabei noch den Verkehr gefährdet, muss mit einem Bußgeld von 90 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen. Doch sein Auto falsch abzustellen, kann noch deutlich teurer werden. Das zeigt eine Entscheidung (Az: 6 U 580/22) des Oberlandesgerichts Dresden, auf die die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hinweist. Hier ging es allerdings nicht um Buß- oder Verwarnungsgelder, sondern um eine saftige Vertragsstrafe.
Es ging um einen Nachbarschaftsstreit: Der Beklagte hatte sein Auto seit einigen Jahren immer wieder vor seiner Grundstückseinfahrt abgestellt und damit seiner Nachbarin gegenüber auf der engen Straße die Zufahrt zu deren Grundstück erschwert. Versetzt oder in der eigenen Auffahrt zu parken hätte die Lage entspannt. Nachdem die Nachbarin klagte, einigten sich die Parteien vertraglich auf einen Vergleich. Bis zu fünfmal täglich für maximal zehn Minuten durfte der Beklagte vor seiner Grundstückseinfahrt parken.
Er hielt sich jedoch nicht an die Vereinbarung und die Nachbarin protokollierte über mehrere Jahre viele Parkverstöße. Die Vertragsstrafe von je 150 Euro machte sie mehrfach gerichtlich geltend und bekam für 194 Fälle rund 24.000 Euro zugesprochen. Der Nachbar legte Berufung ein, doch weitgehend erfolglos. Lediglich acht Verstöße hielt das Oberlandesgericht für nicht erwiesen und reduzierte die Vertragsstrafe deshalb um 1.200 Euro. Weshalb der betagte Beklagte sein Parkverhalten trotz guten Zuredens durch das Gericht nicht änderte, ließ sich übrigens nicht klären, heißt es von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. (dpa)
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Paar will über Nachbargrundstück "abkürzen" und reicht Klage wegen Zaun ein
Update vom 28. März: Im Streit um den Weg über eine Parzelle hat das Landgericht Frankenthal in der Pfalz die Klage eines Ehepaars abgewiesen.
- Der Fall: Das Paar aus Bad Dürkheim hatte den Gang über ein Nachbargrundstück dazu genutzt, um von der Straße etwa mit Fahrrädern oder Mülltonnen zum eigenen Grundstück zu kommen. Als die Besitzer des Grundstücks jedoch einen Zaun errichteten, klagte das Paar auf dessen Beseitigung – denn sie mussten ihre Räder nun über zwei Stufen und den Hausflur befördern.
Das Gericht wies die Klage ab mit der Begründung: Ein sogenanntes Notwegerecht bestehe nur, wenn ein Grundstück von einer öffentlichen Straße nicht anders als über ein angrenzendes Grundstück zu erreichen sei, hieß es. Hier liege keine solche Insellage vor. Dass der andere Weg umständlicher und unbequemer sei, spiele keine Rolle. Das Urteil ist rechtskräftig.
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Autofahrer warnt vor Kollision mit Hupe: Trifft ihn auch eine Schuld beim Zusammenstoß?
Update vom 24. März 2023: Wer rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt rollt, hat besondere Sorgfaltspflichten. Erkennen andere Verkehrsteilnehmer hier eine Gefahr, können sie hupen, müssen aber auch das weitere Geschehen beobachten und bei Bedarf abbremsen.
Tun sie das nicht, müssen sie nach einem Unfall mithaften. Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Az.: 13 S 60/22), auf das der ADAC hinweist.
- Der Fall: In dem Fall fuhr ein Mann mit dem Auto durch einen verkehrsberuhigten Bereich. Dabei bemerkte er, wie ein Auto von einem Grundstück rückwärts auf die Fahrbahn wollte. Daher hupte der Mann, um auf sich aufmerksam zu machen, fuhr aber genauso wie das andere Auto weiter. So stießen beide Fahrzeuge zusammen.
Der Hupende war der Ansicht, Vorfahrt gehabt zu haben und diesem Umstand durch das Schallzeichen auch ausreichend Ausdruck verliehen zu haben. So forderte er vollen Schadenersatz. Die gegnerische Versicherung ging da nicht mit. Sie war der Ansicht, dass man sich nicht darauf verlassen dürfe, dass so ein akustisches Signal auch wahrgenommen wird. Äußerste Vorsicht und notfalls ein Abbremsen wären demnach angemessen gewesen. Die Sache ging vor Gericht.
Der hupende Mann bekam hier trotz Vorfahrt einen Dämpfer. Zwar sah das Gericht durchaus die besondere Sorgfaltspflicht beim Ausparkenden. Doch der andere Autofahrer hatte ja die Gefahr erkannt und deswegen sogar gehupt.
Deshalb wäre von ihm zu erwarten gewesen, dass er die Geschehnisse weiter beobachtet und eben notfalls bremst, so die Kammer. Weil er Letzteres nicht getan hatte, gaben ihm die Richter eine Mitschuld an der Kollision, die sie mit einer Höhe von 20 Prozent bezifferten. (dpa)
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Auto schubst abgestellten Anhänger an - wer haftet für den Schaden?
Update vom 16. März 2023: Wer seinen Anhänger am Straßenrand abstellt, muss selbst dann für den Schaden aufkommen, wenn ihn ein anderer in Bewegung setzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte es kürzlich mit einem Fall aus Hessen zu tun.
- Der Fall: Ein Autofahrer war bei einem Unfall gegen einen geparkten Anhänger gefahren, der rollte los und an ein Gebäude.
Haften muss trotzdem der Halter des Anhängers, wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hervorgeht. Laut Straßenverkehrsgesetz muss der Halter Schadenersatz leisten, wenn "bei dem Betrieb eines Anhängers" jemand getötet, verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Schon bisher war klar, dass die obersten Zivilrichterinnen und -richter in Karlsruhe das sehr weit auslegen.
Hier war das Landgericht Gießen allerdings der Ansicht, dass eine Ausnahme angebracht sei: Der Autofahrer war in einer Kurve von der Straße abgekommen und an ein Haus und den Anhänger gefahren - damit habe er "im Rahmen des Unfallgeschehens die alleinige tatsächliche Verfügungsgewalt über den Anhänger innegehabt".
Der BGH ist nun strenger: Das Geschehen sei durch den Anhänger mitgeprägt und auch seinem Betrieb zuzurechnen, entschieden die Richter. Aus der Konstruktion des Anhängers resultiere die "Gefahr einer unkontrollierten Bewegung durch Einwirkung von Fremdkraft". Durch das Abstellen im öffentlichen Verkehrsraum sei diese Gefahr nicht beseitigt, sondern aufrechterhalten worden.
Für den Schaden an Eingangstor und Fassade muss deshalb der Haftpflichtversicherer des Halters aufkommen. So hatte es das Amtsgericht Friedberg in der ersten Instanz entschieden. Der BGH hob das Urteil aus Gießen auf und wies die Berufung zurück. (dpa)
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Urteil: Auch Beifahrer darf keine Blitzer-App nutzen
Update vom 16. Februar 2023: Die Nutzung einer Blitzer-App beim Autofahren ist nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe auch dann verboten, wenn ein Beifahrer die App auf seinem Handy laufen hat. Das entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil und wies damit die Klage eines 64-jährigen Autofahrers aus dem Rhein-Neckar-Kreis ab.
- Der Fall: Der Mann war Ende Januar 2022 von Polizisten angehalten worden, als er deutlich zu schnell durch Heidelberg fuhr. Als die Beamten ihn kontrollierten, habe er das Handy seiner Beifahrerin bewusst zur Seite geschoben. Die Polizisten entdeckten die App dennoch, das Amtsgericht Heidelberg verhängte deswegen eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro gegen den Autofahrer, die der Mann aber nicht zahlen wollte.
Das Oberlandesgericht entschied nun jedoch, die Strafe sei rechtens. Die Straßenverkehrsordnung verbiete nicht nur einem Fahrer die Nutzung einer App mit Blitzer-Warnungen. Verboten sei auch, so eine App auf dem Handy eines anderen Fahrzeuginsassen aktiv laufen zu lassen. (Aktenzeichen 2 ORbs 35 Ss 9/23) (dpa)
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Betrunken auf dem E-Scooter: Strafe auch für Mitfahrer?
Update vom 10. Februar 2023: Wer betrunken als Mitfahrer auf einem E-Tretroller die Hände am Lenker hat, gilt auch als Fahrer und kann entsprechend bestraft werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob man nach links oder rechts lenkt oder sich nur daran festhält.
Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Oldenburg (Az.: 4 Qs 368/22). Darauf weist der ADAC hin und ergänzt, dass schon allein das Fahren zu zweit verboten ist und hier ein Bußgeld von zehn Euro fällig wird.
- Der Fall: Im besagten Fall fuhren zwei Personen um vier Uhr nachts auf einem E-Scooter durch die Stadt - der Sozius hielt sich am Lenker fest. Eine Polizeistreife stoppte die beiden und machte einen Alkoholtest. Eine Blutentnahme ergab 1,2 Promille beim Hintermann.
Ein Ermittlungsverfahren folgte, das für den Mitfahrer ein Bußgeld und den Entzug der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr nach sich zog. Dagegen legte der Betroffene Beschwerde ein. Er räumte zwar ein, dass er die Hände am Lenker hatte und diesen festhielt - Lenkbewegungen wollte er aber keine ausgeführt haben.
Diese Argumentation hatte vor dem Landgericht keinen Erfolg. Demnach stellt schon allein das Festhalten während der Fahrt ein Lenken respektive Führen eines Fahrzeugs im Sinne des Strafgesetzbuches dar (Paragraf 316). So beschreibt das Gericht ein Festhalten ohne Lenken dennoch als Lenken - nämlich in Geradeausrichtung.
Und halten sich beide am Lenker fest, ist kontrolliertes Lenken nur möglich, wenn beide Fahrer zusammenwirken. So wurde hier der Scooter in einer "Mittäterschaft" von beiden bewegt - egal, ob wie hier nur der Vordermann das Tempo bestimmt. Es genügt, dass der Hintermann einen Teil der technischen Einrichtungen bedient.
Mit 1,2 Promille hatte der Mann auch das Limit der absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) überschritten. Die Entziehung des Führerscheins war rechtens. (dpa)
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Urteil: Keine Bedenkzeit für Rettungsgasse
Update vom 27. Januar 2023: Autofahrerinnen und Autofahrer müssen eine Rettungsgasse auf Autobahnen oder mehrspurigen Außerortsstraßen bilden, sobald Schrittgeschwindigkeit gefahren wird oder der Verkehr zum Stillstand kommt. Eine Bedenk- oder Einschätzungszeit gibt es dabei nicht, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (Az.: 2 Ss (OWi) 137/22) zeigt, auf das der ADAC hinweist.
- Der Fall: Ein Mann fuhr auf der mittleren Fahrbahn einer dreispurigen Autobahn. Durch eine Baustelle kam der Verkehr entsprechend ins Stocken und zum Teil zum Erliegen. Doch obwohl viele andere Autos schon eine Rettungsgasse gebildet hatten, blieb der Mann mit seinem Wagen immer noch auf der mittleren Spur. Eine vorbeifahrende Polizeistreife verwarnte ihn. Das Amtsgericht Vechta verhängte ein Bußgeld von 230 Euro.
Dagegen legte der Mann Einspruch ein: Er hätte eine kurze Einschätzungszeit gebraucht, um zu prüfen, ob die Bildung der Rettungsgasse nötig war. Der Stau habe sich gerade erst entwickelt, als er verwarnt worden sei.
Das Oberlandesgericht Oldenburg bestätigte das Urteil des Amtsgerichts. Laut Straßenverkehrsordnung müssen Autofahrer eine Rettungsgasse bilden, sobald die Autos mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder zum Stillstand kommen. Beides muss nicht erst über eine gewisse Zeit andauern. Die Gasse müsse sofort gebildet werden, eine Überlegungsfrist sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Das gelte im vorliegenden Fall umso mehr, weil wegen des Stop-and-go-Verkehrs längere Phasen des Stillstands für den Mann erwartbar gewesen wären.
So musste er die Geldbuße zahlen und auch die Verfahrenskosten tragen. Um ein Fahrverbot kam er herum, weil es nicht zu einer konkreten Behinderung eines Rettungswagens gekommen war.
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Mit laufendem Motor geparkt: Halter muss zahlen
Update vom 16. Januar 2023: Die Alarmanlage piept oder der Motor eines Wagens läuft? Geht von einem geparkten Auto eine akute Störung aus, können Behörden diese abstellen lassen, falls der Halter nicht zu erreichen ist.
Um ihn zu ermitteln, ist eine einfache Halterabfrage ausreichend. Weitere Ermittlungen sind nicht nötig. Der Halter muss außerdem die Kosten des Einsatzes tragen. Das zeigt ein Urteil (Az.: 14 K 7125/21) des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, auf das der ADAC hinweist.
- Der Fall: Bei einem parkenden Auto lief der Motor - und zwar über mehrere Stunden. Die Frau des Fahrzeughalters hatte den Wagen abgestellt und verschlossen. Ein Anwohner informierte das Ordnungsamt.
Bei der Halterermittlung über das Kennzeichen wurde eine Wohnanschrift außerhalb des Ortes festgestellt, bei der erfolglos angerufen wurde. Daraufhin wurde eine Scheibe des Autos eingeschlagen und der Motor ausgeschaltet. Die Kosten von 150 Euro für den Einsatz wurden dem Halter des Fahrzeugs in Rechnung gestellt. Dagegen klagte der Mann - ohne Erfolg.
Das Öffnen des Autos hielt er für nicht nötig und verwies auf sein Architekturbüro unter gleicher Anschrift, wo er erreichbar gewesen wäre. Zudem sei seine Frau an einer Meldeadresse wenige Meter vom geparkten Auto anzutreffen gewesen.
Das Gericht aber gab der Behörde recht. So stellt ein mit laufendem Motor abgestelltes Auto ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung dar. Daher durfte das Ordnungsamt diese Störung beseitigen.
Außerdem stellte es klar: Wenn der Halter sich nicht erkennbar in Ruf- oder Sichtweite befindet, müssen abgesehen von der Halterabfrage als zumutbare Maßnahme keine weiteren Ermittlungen angestellt werden.
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Kann man den Führerschein verlieren, wenn man zu oft falsch parkt?
Update vom 22. November 2022: Ist ein Führerscheinentzug gerechtfertigt, wenn man immer und immer wieder Strafzettel wegen Falschparkens erhält? Ja, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin.
- Der Fall: Ein Fahrer hatte insgesamt 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen - innerhalb eines Jahres. Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten entzog dem Mann nach einer Anhörung den Führerschein. Der Einwand des Fahrers: Andere Fahrer hätten die Verkehrsordnungswidrigkeiten mit drei auf ihn zugelassenen Fahrzeugen begangen. Außerdem sei eine Fahrerlaubnis aus beruflichen Gründen sehr wichtig für ihn. Der Mann reichte daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht Berlin gegen den Entzug seiner Fahrerlaubnis ein.
Das Gericht wies die Klage des Mannes ab - und das, obwohl Bagatellverstöße im Straßenverkehr bei der Prüfung der Fahreignung für gewöhnlich nicht berücksichtigt werden. Die Begründung des Gerichts: Der Mann sei als Verkehrsteilnehmer offenbar "nicht willens", bestimmte Vorschriften zu befolgen. Das zeigten allein die vielen Parkverstöße, die in der Nähe des Wohnortes des Mannes begangen worden waren.
Es komme auch nicht darauf an, ob womöglich Familienangehörige für die Verstöße verantwortlich seien. Wer durch zahlreiche ihm zugehende Bußgeldbescheide erfahre, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzten, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstießen, und dagegen nichts unternehme, zeige "charakterliche Mängel". Diese wiesen ihn selbst als ungeeigneten Verkehrsteilnehmer aus.
Gegen das Urteil kann der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg stellen.
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Wer haftet bei Kollision im Kreisverkehr?
Update vom 4. November 2022: Wer kommt eigentlich bei einem Zusammenstoß im Kreisverkehr für Schäden auf? Auch hier gilt, wie an anderen Stellen im Straßenverkehr: Hat ein Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt anderer missachtet, trägt er die alleinige Haftung. Das zeigt ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz (Az.: 12 U 917/22), auf den der ADAC hinweist.
- Der Fall: Ein Fahrer lenkte seinen Wagen viel zu schnell in einen Kreisverkehr. Er überfuhr die Mittelinsel und geriet links neben eine andere Autofahrerin. Sein Wagen kollidierte mit ihrem Auto. Der Fahrer forderte Schadenersatz: Die Frau hätte die Kollision vermeiden können, wenn sie sich nochmals nach links umgedreht hätte, meinte er. Denn dann hätte sie sein Fahrzeug wahrnehmen müssen. Die Versicherung lehnte die Zahlung aber ab.
Das OLG Koblenz gab der Versicherung Recht. Im Kreisverkehr hat derjenige Vorfahrt, der als Erster die entsprechenden Verkehrszeichen passiert und einbiegt. In dem verhandelten Fall verletzte der Fahrer seine Wartepflicht. Zudem verstieß er auch noch gegen das Verbot, die Mittelinsel zu überfahren. Damit ignorierte er zwei wichtige Verkehrsregeln - und diese Pflichtverletzungen seien erheblich, so das Gericht. Der Mann muss allein haften.
Der anderen Unfallbeteiligten lasse sich kein Schuldvorwurf machen. Im Gegenteil: Sie darf sich vielmehr darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer, die noch nicht in den Kreisverkehr eingefahren sind, ihr bestehendes Vorfahrtsrecht beachten.
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Welche Strafen Dränglern drohen können
Update vom 17. Oktober 2022: Wer unverschämt dicht auffährt und anderen Verkehrsteilnehmern den Mittelfinger zeigt, muss mit einer Strafe rechnen. Das zeigt eine Entscheidung des Amtsgerichts München (AZ.: 943 Cs 412 Js 158569/21). Über den Fall berichtet die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
- Der Fall: Der 31 Jahre alte Angeklagte war in einem Tunnel in München so dicht aufgefahren, dass man sein Nummernschild nicht mehr erkennen konnte. Er wollte eine Autofahrerin dazu drängen, schneller zu fahren oder die Fahrspur zu wechseln. Nach dem Überholvorgang dann bremste der Mann die Klägerin bis zum Stillstand aus. Die Geschädigte konnte nur durch starkes Abbremsen ihrerseits einen Unfall verhindern.
Der Angeklagte behauptete, es handele sich um eine Verwechslung. Doch die Klägerin schilderte als Zeugin ruhig und glaubhaft den Hergang. Zudem konnte die Tochter der Klägerin ein Foto vorlegen, das das Auto des Dränglers samt Kennzeichen kurz nach dem Vorfall zeigte. Das Gericht sah daher die Behauptungen des Angeklagten als widerlegt an und verhängte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 Euro sowie ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten.
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Baumarktparkplatz: Vorfahrtsstraße oder "rechts vor links"?
Update vom 10. Oktober 2022: Auf einem öffentlich befahrbaren Parkplatz eines Einkaufsmarktes können die Regeln der Straßenverkehrsordnung gelten. Dazu muss der Betreiber diese noch nicht einmal ausdrücklich anordnen. Allerdings: Dienen die Gassen zwischen den Parkplätzen vor allem der Parkplatzsuche und nicht dem Fahrverkehr, gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Das zeigt ein Urteil (Az.: 17 U 21/22) des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, auf das der ADAC hinweist.
- Der Fall: Schilder auf einem großen Parkplatz eines Baumarktes wiesen darauf hin, dass dort die Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt. Eine Strecke führte ohne Unterbrechung zur Ausfahrt. Von der Seite liefen einige Zufahrten zu dieser. Parkbuchten fanden sich sowohl an beiden Seiten der Zufahrten als auch links von der Ausfahrtsgasse. An einer Kreuzung mit einer der Zufahrten stießen zwei Autofahrer zusammen. Der Fahrer in Richtung der Ausfahrt wollte danach Schadenersatz vom Zufahrenden. Sein Argument: Hier gelte nicht die Rechts-vor-links-Regel, sondern er wäre erkennbar auf einer bevorrechtigten Straße gewesen. Der andere berief sich auf die Rechts-vor-links-Regel gemäß der StVO.
Das OLG urteilte auf eine hälftige Teilung des Schadens. Die Regeln der StVO sind demnach auf solchen privaten, aber öffentlich befahrbaren Parkplätzen anwendbar. Dazu muss der Eigentümer dies noch nicht einmal explizit etwa mit Schildern ausweisen. Allerdings gelte auf einem Parkplatz wie hier immer das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Beide Gassen wiesen Parkbuchten auf, woran laut Urteil zu erkennen ist, das beide gleichermaßen in erster Linie für die Suche nach einem Parkplatz gedacht sind und nicht für den fließenden Fahrverkehr. In solchen Situationen greift demnach das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Etwas anderes gelte nur, wenn eindeutig der Straßencharakter gegeben ist, was sich etwa an Richtungsfahrbahnen, Bordsteinkanten und Abtrennungen, wie sie sich zum Beispiel an vielen Autobahnraststätten finden lassen. Dieses war vor Ort nicht der Fall. So waren beide Unfallgegner ihrer Sorgfaltspflicht nicht genügend nachgekommen und mussten eine hälftige Schadenteilung akzeptieren.
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Umleitung: Gehweg befahren kann eine Straftat sein
Update vom 22. September 2022: Wer mit dem Auto über den Gehweg eine Sperrung umfährt, muss sich mindestens auf ein Bußgeld gefasst machen. In der Regel handelt es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit, die mit 55 bis 100 Euro Bußgeld bestraft wird. Die Höhe des Bußgelds hängt davon ab, ob der Verkehrsteilnehmende den Weg dadurch nur behindert oder sogar eine Gefahr dargestellt hat.
"Mit dem Auto den Gehweg befahren, das kann unter Umständen aber sogar eine Straftat darstellen", erklärt Jurist Jost Kärger vom ADAC. Denkbar sei demnach der Tatbestand der Nötigung. Zum Beispiel dann, wenn Fußgänger zur Seite gedrängt werden.
Nicht nur Autofahrer dürfen den Gehweg nicht befahren. Auch Motorradfahrer und Fahrradfahrer müssen die ausgeschilderte Umleitung nehmen, wenn der direkte Weg gesperrt ist. Fahrradfahrer können unter Umständen aber doch legal abkürzen. Mit einem einfachen Trick: Absteigen. "Wer sein Fahrrad über den Gehweg schiebt, ist auf der sicheren Seite", sagt Kärger.
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Schuldeingeständnis am Unfallort hat Gewicht
Update vom 19. September 2022: Wer am Unfallort schriftlich seine Schuld eingesteht und den Unfallhergang detailliert schildert, muss sich daran meist auch später noch messen lassen. Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und verweist auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg (Az: 3 U 4188/21).
Sprechen auch alle Umstände des Unfalls dafür, gilt: Die Erklärung kann nur entkräftet werden, wenn der Fahrer nachweisen kann, dass die Angaben unrichtig waren. Ansonsten kann das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung die in der Erklärung enthaltenen Tatsachen zugrunde legen.
- Der Fall: Ein Mann wollte einen Linksabbieger noch weiter links überholen. Es kam zum Zusammenstoß. Noch vor Ort unterschrieb der Mann einen Unfallbericht. Darin bestätigte er auch das wichtige Detail, dass der Blinker des anderen eingeschaltet war. Das habe er aber nicht richtig sehen können, weil er vom Sonnenlicht geblendet worden sei. Im Verfahren distanzierte sich der Mann dann von seiner Erklärung vom Unfallort.
Das Gericht legte seiner Entscheidung die Aussagen im Unfallbericht zugrunde. Der Beklagte habe nicht nachweisen können, dass seine Äußerungen - insbesondere zum Blinker - falsch gewesen seien.
Fazit: Weil auch die Gesamtumstände des Unfallhergangs gegen ihn sprächen, habe er als Überholender den Unfall verursacht.
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Motorrad überholt Kolonne: Wer haftet bei Unfall?
Update vom 2. August 2022: Wer zum Abbiegen ansetzt, darf die Rückschaupflicht nicht vernachlässigen. Kommt es zu einem Unfall mit einem Überholenden, muss der Abbiegende überwiegend haften. Das veranschaulicht ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle (Az.: 14 U 118/21), auf das der ADAC hinweist.
- Der Fall: Ein Motorradfahrer war auf einer geraden und gut einsehbaren Bundesstraße unterwegs. Vor ihm befand sich eine Kolonne, die sich hinter einem langsam fahrenden Fahrzeug gebildet hatte. Der Biker entschloss sich, etwa neun bis zehn Fahrzeuge zu überholen. Während des Überholens setzte ein weiter vorn Fahrender ohne Schulterblick zum Abbiegen nach links an, übersah das von hinten nahende Motorrad und stieß mit diesem zusammen. Beide Parteien forderten Schadenersatz.
Der Linksabbieger war der Meinung, dass der Motorradfahrer bei so einer langen Kolonne nicht hätte überholen dürfen und sah darin eine unklare Verkehrslage. Der Biker wiederum wertete das Abbiegen ohne Schulterblick als entscheidende Ursache für den Unfall. Die Sache ging vor Gericht.
Das Gericht sah die Hauptschuld beim Abbiegenden. Der Motorradfahrer hätte auf der geraden, gut einsehbaren Strecke beim Überholvorgang gut erkannt werden können. Unklar wäre die Verkehrslage nur gewesen, wenn nicht verlässlich zu beurteilen gewesen wäre, was Vorausfahrende tun würden. Zumal der Motorradfahrer schon beim Überholen war, als sich der Autofahrer zum Abbiegen entschloss und den Blinker setzte.
Nicht der Rückschaupflicht nachgekommen zu sein, wog in den Augen des Gerichts so schwer, dass der Autofahrer zu 75 Prozent haften musste. Er hatte demnach damit rechnen müssen, dass sich bei so einer langen Kolonne schon jemand von hinten näherte.
Die 25 Prozent für den Biker resultierten aus der Betriebsgefahr des Motorrades. Das ist laut Definition die Gefahr, die automatisch durch die Inbetriebnahme eines Kfz besteht. Entscheidet ein Gericht für ein Mitverschulden aufgrund der Betriebsgefahr, liege die Haftungsquote meist bei 20 bis 25 Prozent, informiert das "Mobilitätsmagazin".
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Gehweg für Radfahrer frei: Wer haftet nach einem Unfall?
Update vom 18. Juli 2022: Wer auf einem Gehweg läuft, der auch für Radfahrende zugelassen ist, muss sich nicht fortlaufend nach sich nähernden Radlern umsehen. Kommt es zum Unfall, haftet meist der Radfahrer oder die Radfahrerin, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Sie verweist auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Erfurt (Az.: 5 C 1402/19).
- Der Fall: Ein neunjähriger Junge war aus einem Hauseingang heraus auf den Gehweg gekommen, der mit einem Zusatzschild auch für Radfahrer und Radfahrerinnen freigegeben war. Es gab aber weder baulich noch farblich markierte eigene Bereiche. Dort konnte ein Radfahrer nicht mehr bremsen und erfasste das Kind. Es erlitt unter anderem ein Schädelhirntrauma. Der Radfahrer verletzte sich ebenfalls, weil er beim Bremsen über den Lenker geflogen war.
Beide Parteien sahen sich vor Gericht wieder. Für das Kind wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro gefordert: Ursächlich für den Unfall sei zu schnelles und zu dichtes Fahren am Hauseingang gewesen. Der Beklagte erwiderte, dass das Kind nicht hätte aus dem Haus kommen dürfen, ohne sich umzuschauen. Zudem sei es regelrecht auf den Gehweg hinaus und in den Radfahrer hinein gerannt.
Das Gericht sah aber allein den Radfahrer in der Verantwortung. Auf einem gemeinsamen Weg für Fußgänger und Radfahrer hätten letztere eine größere Sorgfaltspflicht. Ohne sich ständig umschauen zu müssen, dürften Fußgänger die gesamte Breite eines gemeinsamen Weges nutzen. Zudem müssten Radfahrende jederzeit in der Lage sein, innerhalb der überschaubaren Strecke anzuhalten, wenn die Verkehrslage unklar wird.
Besonders müsse auf Unachtsame und Betagte Rücksicht genommen werden, so das Gericht weiter. Auch sei einfach damit zu rechnen, dass Menschen aus Eingängen kämen oder Fahrzeuge aus Ausfahrten auf den Gehweg fahren könnten.
Mit nach eigenen Angaben 12 bis 14 Kilometern pro Stunde war der Radfahrer für die Umstände vor Ort zu schnell unterwegs, befand das Gericht, und überdies zu nah an den Ausgängen der Grundstücke gefahren. Dass er über den Lenker gegangen war, sei auch Indiz für ein zu hohes Tempo.
Das Gericht konnte nicht einmal ein Mitverschulden des Jungen feststellen: Das Kind sei nicht gerannt, sondern wenn überhaupt höchstens auf den Gehweg gehopst. Die Sturzrichtung des Radfahrers nach vorn – und nicht etwa zur Seite – zeige, dass das Kind den Radler nicht umgerannt habe. Allerdings befand das Gericht für den Jungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro als angemessen.
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Bei überholenden Radfahrern gilt kein Mindestabstand
Update vom 7. Juli 2022: Überholen sich Radfahrer gegenseitig, müssen sie nicht wie Autofahrer anderthalb bis zwei Meter Abstand voneinander halten. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (Az: 2 U 121/21).
- Der Fall: Nach einem Unfall forderte der Überholende trotz geringen Abstands vom anderen Radfahrer Schadenersatz und Schmerzensgeld – mit Erfolg. Die Situation war folgende: Der erste Radfahrer fuhr mit dem Rad auf der Straße, der zweite kam aus einer Einfahrt dazu und fuhr vorne, allerdings langsam und unsicher. Als der erste Radfahrer nach einer Weile zum Überholen ansetzte, schwenkte der zweite erheblich nach links aus, es kam zu einem Unfall. Der erste Radfahrer musste ins Krankenhaus und physiotherapeutisch behandelt werden.
Der Verletzte klagte auf Schmerzensgeld und Schadenersatz, was das Landgericht noch ablehnte. Begründung: der Kläger hätte gar nicht überholen können, weil er den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht habe einhalten können.
Das Oberlandesgericht kippte dieses Urteil der Erstinstanz und sprach ihm 50 Prozent Schadenersatz und 3.500 Euro Schmerzensgeld zu. Denn ein Überholen durch Fahrradfahrer setze nicht generell einen Sicherheitsabstand von eineinhalb bis zwei Metern voraus. Sonst könnten sich Radfahrer schließlich fast im gesamten Stadtgebiet nicht überholen. Es komme vielmehr auf die Umstände im Einzelfall an. Hier traf den Kläger ein Mitverschulden von 50 Prozent. Er hätte erkennen können, dass der Radfahrer, den er überholen wollte, unsicher fuhr.
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Fahrzeug darf Rettungsdienst keine Minute behindern
Update vom 28. Juni 2022: Wer mit seinem Fahrzeug Rettungskräfte auch nur eine Minute behindert, muss mit einer Geldstrafe und einem Fahrverbot rechnen. Das entschied das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil (Az.: III-4 RVs 2/22).
- Der Fall: Bei einem Unfall erlitt eine ältere Radfahrerin eine stark blutende Kopfverletzung. Am Unfallort trafen mehrere Ersthelfer, die Polizei, der Angeklagte und dann der Rettungsdienst ein. Ein Ersthelfer hatte sein Auto auf der Fahrbahn abgestellt, die Polizei ihren Streifenwagen schräg gegenüber. Durch die verbleibende Lücke konnte der Verkehr einspurig mit kleineren Rückstaus in beide Fahrtrichtungen hindurchfließen.
Der Angeklagte erreichte die Unfallstelle kurz vor dem mit Blaulicht und Signalhorn kommenden Rettungswagen. Er sah die Radfahrerin mit einer blutenden Kopfverletzung am Boden liegen, sowie den herannahenden Rettungswagen. Dennoch hielt er vor der Lücke, und versperrte so den Weg zur Unfallstelle.
Erst nach mehrmaliger Aufforderung der Polizei fuhr er ein Stück weiter. Dort öffnete er wieder seine Fahrertür. Der Rettungswagen, der ohne Signalhorn weitergefahren war, musste erneut stoppen. Insgesamt verzögerte sich dessen Ankunft mindestens um eine Minute. Es folgte: eine Anzeige.
Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 65 Euro verurteilt - wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und falscher Verdächtigung. Denn wenn jemand den Weg zum Unfallort versperrt, wird dies bereits als Gewalt gewertet - und als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bestraft.
Für das Gericht war auch die Dauer der Behinderung von einer Minute wesentlich. Bei einer stark blutenden Kopfverletzung könne man davon ausgehen, dass eine solche Verzögerung ausreichend ist, um die Rettungsdienste zu behindern.
Der Angeklagte hatte den Einsatz durch mehrere Handlungen verzögert. Ein Fahrverbot von vier Monaten erschien dem Gericht - quasi als zusätzlicher Denkzettel - als angemessen.
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Anderen Fahrer gemaßregelt: Wer haftet nun für Schaden?
Update vom 21. Juni 2022: "So ein Idiot! Dem zeig ich’s mal": Ärger nach Fehlverhalten anderer im Straßenverkehr kennen viele. Wer aber als Reaktion andere etwa durch plötzliches Abbremsen maßregeln will, muss damit rechnen, allein für die Schäden aufzukommen. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz (Az.: 12 U 1518/21), über das die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.
- Der Fall: Eine Autofahrerin war auf einer Vorfahrtsstraße unterwegs. Ein Lkw bog dort ein und nahm ihr die Vorfahrt. Der Ärger darüber war anscheinend so groß, dass sie den Lkw im Anschluss überholte, sich vor diesen setzte und plötzlich abbremste. Der Lkw konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr auf. Die Frau wollte nun den Schaden vom Lkw-Fahrer ersetzt bekommen und zog vor Gericht.
Nach Überzeugung des Gerichts verhielt sich die Frau im groben Maße verkehrswidrig. Der Unfall war demnach allein aufgrund ihres Verhaltens passiert. So greift hier auch nicht der Anscheinsbeweis, aufgrund dessen bei Auffahrunfällen die Schuld beim Hintermann vermutet wird, etwa wegen Ablenkung oder zu wenig Abstand.
Auch dass der Lkw-Fahrer die Vorfahrt der Frau missachtete, wurde nicht berücksichtigt. Denn dadurch war es nicht zum Unfall gekommen. Wer nur stark abbremst, um andere zu disziplinieren, haftet für den Unfall allein.
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Verwendete Quellen:
- dpa
- Mobilitätsmagazin: bussgeldkatalog.org