Kritiker befürchteten mit der Abgasnorm Euro 7 schon ein Verbrenner-Verbot durch die Hintertür, als vor rund zwei Jahren erste Vorschläge einer Expertengruppe an die Öffentlichkeit gelangten. Die damals diskutierten Grenzwerte wären nur mit einem extremen technischen Aufwand einzuhalten gewesen, der vor allem kleinere Autos überproportional verteuert hätte. Der Gesetzesvorschlag, den die EU-Kommission im Herbst 2022 veröffentlichte, wirkt auf den ersten Blick deutlich milder. Hier fassen wir für Sie zusammen, was Sie über die Abgasnorm Euro 7 wissen müssen.

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Wie hart sind die Grenzwerte für Verbrenner?

Die zukünftigen Schadstoffgrenzen orientieren sich an den aktuellen Euro-6d-Werten, es sind jedoch keine Unterschiede mehr zwischen Dieseln und Benzinern vorgesehen. Ein Diesel darf dann nicht mehr 80 mg NOx/km (also Stickoxide) emittieren, sondern nur noch die für Benziner bereits geltenden 60 mg. Der für Ottomotoren erlaubte Kohlenmonoxid-Ausstoß soll auf 50 Milligramm (den Dieselwert) halbiert werden. Zudem muss die Abgasreinigung in der Lage sein, sämtliche Grenzwerte zehn Jahre lang über 200.000 Kilometer einzuhalten – statt fünf Jahre und 100.000 Kilometer.

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Liegen die Grenzwerte auf der Straße höher als im Labor?

Nein. Die eigentliche Verschärfung der Grenzwerte ist dem Kleingedruckten zu entnehmen: So müssen Fahrzeuge auch im Realverkehr die strengen Normen einhalten. Bisher können sie einen Conformity-Faktor genannten Aufschlag gegenüber Messungen auf dem Rollenprüfstand geltend machen, der bei NOx beispielsweise 1,43 beträgt. Aus 80 mg eines Euro-6d-Diesels werden so 114 mg/km. Zukünftig muss ein Diesel auch im Realverkehr unter 60 mg bleiben. Darüber hinaus wird der Temperaturbereich erweitert, in dem die Abgasreinigung einwandfrei funktionieren muss – auf bis zu 45 Grad Celsius, was sieben Grad höher liegt als aktuell.

Welche Fortschritte soll die neue Abgasnorm bringen?

"Im Jahr 2035 wird Euro 7 die gesamten NOx-Emissionen von Pkw und Transportern im Vergleich zu Euro 6 um 35 Prozent verringern", prognostiziert die EU-Kommission. Bei Lastwagen und Bussen soll die Reduzierung im Vergleich zur Euro-VI-Regelung sogar 56 Prozent betragen. Die Emission von Feinstaub-Partikeln am Auspuff von Pkw und Transportern soll zu diesem Zeitpunkt um durchschnittlich 13 Prozent niedriger liegen, die beim Bremsen um 27 Prozent.

Gelten die Euro-7-Regeln nur für Pkw?

Nein. Anders als bisher wird nicht mehr zwischen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen (Euro 6) sowie Lastwagen und Bussen (Euro VI) unterschieden. "Mit den Euro-7-Normen werden die Emissionsgrenzwerte für alle Kraftfahrzeuge, das heißt für Pkw, Lieferwagen, Busse und Lkw, in einem einzigen Regelwerk zusammengefasst", sagt die EU-Kommission. Allerdings erhalten schwere Nutzfahrzeuge eine zwei Jahre längere Schonfrist, bis sie die neuen Grenzwerte einhalten müssen (siehe unten).

Soll es Ausnahmen geben?

Ausnahmen sind nicht geplant. Aber Zusatzklassen für Autos, die besser abschneiden als von der Standard-Euro-7-Norm gefordert. So soll Euro 7+ für Autos gelten, die mindestens zehn Prozent weniger Schadstoffe ausstoßen. Oder deren Batterie mindestens zehn Prozent länger hält als gefordert. Euro 7A ist für Autos vorgesehen, deren Abgasreinigungssystem sich anpassen lässt, sodass beispielsweise in Umweltzonen der Ausstoß gesenkt werden kann. Euro 7G soll für Hybridautos mit Standortbestimmung gelten, die in Umweltzonen zum Beispiel automatisch in einen rein elektrischen Fahrmodus wechseln. Erfüllt ein Auto mehrere dieser Anforderungen, sollen die Labels auch miteinander kombiniert werden können (etwa Euro 7+A oder Euro 7AG).

Werden Autos wegen der höheren Anforderungen teurer?

Wahrscheinlich treibt die neue Abgasnorm die Preise nach oben. Um welchen Faktor, da sind sich Gesetzgeber und Industrie uneinig. Da aktuelle Autos nach Euro 6d ohnehin schon über eine komplexe und teure Abgasreinigung verfügten, bezifferte die EU-Kommission bei der Vorstellung ihrer Pläne die Mehrkosten pro Fahrzeug auf durchschnittlich 80 bis 180 Euro. Sowohl der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) als auch dessen europäisches Pendant European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA) hält die Entwicklung Euro-7-konformer Antriebe für deutlich kostenintensiver. Eine neue Studie des britischen Beratungsunternehmens Frontier Economics, in Auftrag gegeben von der ACEA, soll die These der Hersteller stützen. Demnach würden sich die Herstellungskosten pro Fahrzeug um das Vier- bis Zehnfache jenes Wertes erhöhen, den die EU-Kommission prognostiziert, wobei die ACEA andere Zahlen heranzieht als jene, die von der EU ursprünglich veröffentlicht wurden.

Bei Pkw und Transportern mit Verbrennungsmotoren wären dies zwischen 1.862 und 2.629 statt 184 bis 446 Euro pro Exemplar. Lkw und Busse mit Dieselmotoren würden in der Herstellung den ACEA-Schätzungen zufolge sogar 11.707 Euro teurer; der Gesetzgeber rechnet mit 2.765 Euro. Für die Kundinnen und Kunden lägen die Preiserhöhungen wahrscheinlich deutlich höher, so die Schlussfolgerung der ACEA. Hinzu kämen indirekte Kosten wie ein erhöhter Kraftstoffverbrauch aufgrund der komplizierteren Abgasreinigung, die in den EU-Berechnungen nicht berücksichtigt worden seien. "Der Euro-7-Vorschlag ist nicht der richtige Weg, da er eine extrem geringe Umweltwirkung bei extrem hohen Kosten hätte", sagt Sigrid de Vries, die Generaldirektorin des ACEA.

Warum gelten Euro-7-Grenzwerte auch für E-Autos?

Die neuen Vorschriften sind kraftstoff- und technologieneutral. Wer denkt, E-Autos wären fein raus, irrt. Neben den Schadstoffen aus dem Auspuff berücksichtigt die neue Norm nämlich auch Partikel, die von den Bremsen oder den Reifen stammen – eine Weltpremiere, sagen die Gesetzgeber. Damit fallen auch Elektrofahrzeuge (eine Marktübersicht sehen Sie in der Fotoshow) und Plug-in-Hybride unter die Euro-7-Abgasnorm. Für Stromer sieht die EU-Kommission zudem eine Mindesthaltbarkeit ihrer Batterien vor. Nach fünf Jahren oder 100.000 Kilometern darf die Speicherkapazität der Batterie nicht unter 80 Prozent des ursprünglichen Werts fallen, nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern sollen es 70 Prozent sein. Damit liegen die Grenzwerte im Bereich dessen, was auch die Autohersteller in ihren Garantien zusagen. Für Verbrenner soll künftig zudem die Lachgas-Emission reguliert werden, was für Transporter über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht eine besondere Herausforderung darstellt.

Ab wann soll Euro 7 gelten?

Die EU strebt eine Einführung für Juli 2025 an. Für schwere Nutzfahrzeuge soll die Abgasnorm zwei Jahre später gelten. Allerdings handelt es sich beim EU-Papier erst um einen Vorschlag, der noch vom EU-Parlament und den 27 Mitgliedsländern mit der nötigen Mehrheit beschlossen werden muss, was im Schnitt 18 Monate dauert – also bis etwa Mitte 2024. Bei diesem Thema könnte sich der Prozess jedoch länger hinziehen als üblich.

Was könnte die Einführung verhindern oder verzögern?

Ähnlich wie beim Verbrennerverbot ab 2035, bei dem eine Länder-Allianz unter Führung Deutschlands eine Ausnahme für E-Fuels erwirkte, sind es einzelne EU-Mitgliedsstaaten mit starker Autoindustrie, die ihre Zustimmung verweigern und die Pläne damit blockieren können. Der Nachrichtenagentur Reuters liegt ein Papier vor, in dem acht Länder erklären, dass Teile des Gesetzes, einschließlich der Beschränkungen für Auspuffemissionen, gestrichen werden sollen. "Wir sind gegen neue Abgasvorschriften (einschließlich neuer Testanforderungen oder neuer Emissionsgrenzwerte) für Autos und Lieferwagen", heißt es darin pauschal. Das zentrale Argument: Die Autohersteller müssen kurz- und mittelfristig Gelder in die Entwicklung verbesserter Abgasreinigungssysteme stecken, die sie lieber in die Konstruktion emissionsfreier Fahrzeuge investieren würden.

Welche Länder kämpfen gegen Euro 7?

Neben Frankreich und Italien haben Tschechien, Polen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn sowie die Slowakei das Papier unterzeichnet, mit dem die anderen EU-Staaten überzeugt werden sollen, sich dem EU7-Protest anzuschließen. Deutschland ist bislang nicht dabei. Sollte die Allianz halten, würde ihre Stimmenanzahl dennoch reichen, die neue Abgasnorm bei einer Abstimmung zu blockieren. "Unser Bestreben ist es, die Euro-7-Bedingungen wirklich realistisch zu gestalten, sie erreichbar zu machen", sagte der tschechische Verkehrsminister Martin Kupka bereits im März 2023. Sein Land stellte sich damals einen Zeitraum von vier Jahren vor, in der sich die Autoindustrie auf die Euro-7-Norm vorbereiten können soll. Demnach würde sich die Einführung auf 2027 verschieben.

Was sagt die Autoindustrie zu den Eckpunkten?

Der VDA hält die Euro-7-Grenzwerte bei Pkw ebenfalls für "terminlich nicht umsetzbar" und bei schweren Nutzfahrzeugen bis Juli 2027 für "technologisch kaum realisierbar". VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagte kurz nach Bekanntgabe der Pläne: "Der Vorschlag der EU-Kommission setzt nicht auf Ausgewogenheit und Machbarkeit, sondern auf unrealistische Extrem-Ziele". Die Entwicklung und Genehmigung eines entsprechenden Antriebs bei einer Vorlaufzeit von nur einem Jahr nach erwartetem Abschluss der delegierten Rechtsakte sei nicht realisierbar. Der VDA fordert daher "dringend Verbesserungen" sowie "die Einführung von sinnvollen und realistischen Prüfbedingungen, die das Fahren in Europa in der Breite abdecken".

Reuters zufolge hat Skoda verlauten lassen, 3.000 Arbeitsplätze abbauen zu müssen, falls die Euro-7-Norm wie geplant umgesetzt würde. Carlos Tavares, Chef des Stellantis-Konzerns, bezeichnete Teile der Regelung als "nutzlos". Auch Oliver Zipse kritisierte bei der letzten BMW-Hauptversammlung am 12. Mai 2023 die EU-Pläne: "So wie aktuell vorgesehen, geht es einfach nicht", sagte der Vorstandvorsitzende, der die für 2025 geplante Einführung der Euro-7-Norm für "vollkommen unrealistisch" hält. Zipse forderte, deren Einführung für Pkw auf Mitte 2027 zu verschieben und die Grenzwerte auf alltägliche Fahrsituationen statt auf "Sonder- und Extremfälle" auszurichten.

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Was halten Umweltschützer von den geplanten Regeln?

Die genau entgegengesetzte Sichtweise haben Umweltschutzorganisationen formuliert. Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), nennt die Vorschläge mit den aus seiner Sicht "schwachen Grenzwerten" einen "Kniefall vor der Autolobby" und den "Dieselkonzernen". "Es ist völlig unverständlich, warum die Kommission mit so laxen Grenzwerten mithilft, Autos unnötig dreckig zu belassen", sagt Tobias Austrup von Greenpeace. Es sei skandalös, dass die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag die Gesundheit der Menschen hinter die Kostenrechnung der Autoindustrie stelle.  © auto motor und sport