Ursprünglich als Lösung für Offroader und Abenteurer gedacht, sind All-Terrain-Reifen heute ein weit verbreitetes Lifestyle-Statement – montiert auf SUVs, Campern und Lieferwagen. Doch die jüngsten Testergebnisse des ADAC entlarven eine unbequeme Wahrheit: Die viel gepriesene Vielseitigkeit kommt immer noch mit gravierenden Kompromissen, insbesondere auf nassem Asphalt. Warum ist das so?
Der Mythos ist hartnäckig: Wer All-Terrain-Reifen fährt, ist auf alles vorbereitet – von der Autobahn bis zum Schotterpfad. Dieses Versprechen begleitet den AT-Reifen seit seiner Geburtsstunde in den 1970er Jahren. Doch auch über vier Jahrzehnte nach dem ersten Modell zeigt sich: Der Traum von der Reifen-Allzweckwaffe erfüllt sich auf der Straße bis heute nicht. Aktuelle Tests des ADAC offenbaren gravierende Sicherheitsdefizite und werfen die Frage auf: Hat sich technisch überhaupt etwas getan?
Wie der All-Terrain-Reifen entstand
Im Jahr 1976 brachte BFGoodrich den ersten serienmäßigen Radial All-Terrain T/A auf den Markt – einen Reifen mit grobem Profil, verstärkter Seitenwand und der Ambition, Geländetauglichkeit mit Straßeneinsatz zu kombinieren. Diese Idee war revolutionär für Pickup-Fahrer und Expeditionsteilnehmer. Der Markt für AT-Reifen boomte – nicht zuletzt, weil sie robuster wirkten und einen Abenteuer-Look boten, der sich bald zum Statussymbol entwickelte.
Doch was einst für harte Trails in den Rocky Mountains entwickelt wurde, landete zunehmend auf europäischen Asphaltstraßen – und genau dort zeigt sich das Dilemma: Die Gummimischung und Profilgeometrie der AT-Reifen bringen Schwächen in Haftung, Bremsverhalten und Fahrkomfort mit sich.
ADAC-Test 2025 offenbart Schwächen
Der aktuelle ADAC-Reifentest von 2025 prüfte acht All-Terrain-Reifen der Dimension 225/65 R17 – eine gängige Größe für SUVs und Vans. Das Ergebnis ist ernüchternd:
- Kein Modell erhielt die Gesamtnote "gut"
- Der Yokohama Geolandar A/T G015 schnitt mit 2,9 am besten ab – hinter einem Standard-Ganzjahresreifen mit Note 2,1
- Der BFGoodrich Trail Terrain T/A landete mit der Note 5,4 im kritischen Bereich
- Besonders alarmierend: Bremswege auf nasser Fahrbahn lagen bei bis zu 49 Metern aus 80 km/h – das sind bis zu 13 Meter mehr als bei regulären Reifen
Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache: Wer sich im Alltag auf AT-Reifen verlässt, riskiert verlängerte Bremswege und eingeschränktes Fahrverhalten – insbesondere bei Regen.
Rückblick: Was hat sich technisch getan – und was nicht?
Obwohl moderne AT-Reifen wie der BFGoodrich KO2 (Einführung: 2015) verbesserte Karkassen, Lamellenprofile und optimierte Laufflächenmischungen bieten, bleiben ihre Schwächen auf Asphalt systembedingt. Das offene Blockprofil, das im Gelände für Traktion sorgt, verringert auf der Straße die Aufstandsfläche – entscheidend für Brems- und Kurvenverhalten.
Zudem sind viele AT-Reifen schwerer und steifer, was den Rollwiderstand und Kraftstoffverbrauch erhöht. Während Ganzjahresreifen in den letzten zehn Jahren massive Fortschritte in Nasshaftung und Laufleistung gemacht haben, stagniert die Entwicklung der AT-Reifen – da ihr Fokus weiter auf robuster Geländetauglichkeit liegt.
Zielgruppe verfehlt? Die Lifestyle-Falle der AT-Reifen
Heute sind AT-Reifen längst nicht mehr nur bei Offroad-Enthusiasten beliebt. Sie zieren SUVs im Stadtverkehr, Campervans auf der Autobahn und Lieferwagen im Alltag. Der Grund: das martialische Profil vermittelt Robustheit und Freiheit. Doch dieser visuelle Vorteil steht in krassem Gegensatz zu den tatsächlichen Leistungsdaten – vor allem unter Alltagsbedingungen.

Das ist nicht nur ein technisches Problem, sondern auch ein psychologisches: Viele Fahrer fühlen sich mit AT-Reifen sicherer – obwohl objektiv das Gegenteil der Fall ist. Ein Trugschluss, der zu gefährlichen Situationen führen kann. © auto motor und sport